„Nein, nimm noch ein weißes. Wie ich dich kenne, wirst du, wenn du Gefallen dran gefunden hast, eher zu extravaganten Krawatten tendieren.“
„Extravagante Krawatten? Wie kommst du denn darauf? Ich bin doch nicht Elton John!“
„Zum Glück“, lacht er. „Und ich sagte ja „wie ich dich kenne“. So komme ich darauf. Zum Beispiel eine orangene mit Holland-Wappen drauf – das ist meines Erachtens extravagant.“
„Ach so, so ganz normales Zeug!“
„Siehst du. Dafür brauchst du neutrale Hintergründe.“
„Wie weit bist du denn schon mit deiner Suche?“
„Lass uns erst mal hier zu Ende kommen.“
„Aber ich meine ja nur, das soll doch zusammen passen.“
„Das wird es“, beruhigt er mich.
„Was hast du denn eben die ganze Zeit gemacht?“
„Ich habe mich umgeguckt.“
„Und nichts anprobiert?“
„Ich weiß ja, was ich suche. Ich werde Ulric meine Größen sagen, er wird sie vom Lager holen, fertig.“
„Was hast du denn angeguckt? Wir sind doch schon so lange hier.“
Er verdreht die Augen, aber ich lasse nicht locker. „Sag doch mal, was hast du gemacht?“
„Nerv mich nicht, Bruder.“
„Hast du vorne bei den Frauen auf dem Sofa gesessen und ein paar neue Tricks zum Flirten ausprobiert? Vielleicht, damit du in Zukunft noch mehr Trinkgelder kassierst?“
Er schnaubt.
„Sag doch mal!“
„Jeremy, reiz mich nicht.“
Na so was!
Pünktlich zu Miloš’ Abgang erscheint Ulric wieder zwischen den beiden Spiegeln. Vermutlich hat er die ganzen Sachen wieder aufgehängt, gefaltet und weggeräumt, die ich dann doch nicht haben wollte.
Für einen Moment lässt er seine Professionalität sausen: „Was ist los?“
„Der will mir nicht sagen, was er die ganze Zeit gemacht hat. Angeblich hat er Klamotten anprobiert, aber er will mir nicht zeigen, was er sich ausgesucht hat und Sie sollen gleich nur die richtigen Größen holen und dann ist er schon fertig, weil er weiß, was er haben will. Da hab ich bloß nachgefragt und da ist er gleich so gereizt gewesen“, verschaffe ich mir Luft. „Der kann mir doch sagen, ob er mit den Mädels auf dem Wartesofa geflirtet hat oder was sonst.“
„Die Damen waren völlig uninteressant für ihn“, sagt Ulric.
„Was hat er denn gemacht?“
„Er hat Sie beobachtet. Gelegentlich hat er seinen Standort gewechselt, aber er war die ganze Zeit in diesem Teil des Ladens.“
„Und wie hat er geguckt?“
„Jetzt machen Sie mich verlegen. Ich habe nicht auf ihn geachtet, sondern auf Sie.“
„’Tschuldigung.“
„Schon in Ordnung. Sie brauchen noch Schuhe.“
„Schuhe sind ein schwieriges Thema bei mir.“
„Wir sind heute Morgen schon sehr erfolgreich gewesen. Machen Sie sich keine Gedanken, das kriegen wir hin.“
Das Anzieh-Auszieh-Spiel geht von vorne los. Ich gehe viele Runden um die Regale; immer mit einem anderen Paar Schuhe. Praktischerweise trage ich auch schon den Anzug, schließlich soll es ja beides zusammen gut aussehen.
Ein Mann kommt mir entgegen und ich will ihm Platz machen. Nur weil der sich exakt so bewegt wie ich, merke ich, dass es mein Spiegelbild ist. Stimmt – so sehe ich ja gerade aus. Beinahe ein bisschen verwundert bleibe ich stehen.
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