„Miloš hat davon erzählt“, deute ich an.
„Ja, er ist mir da richtig ans Herz gewachsen. Ich weiß nie, was er denkt, aber solange er sich in den Dienst unserer Firma stellt, soll es sein Schaden nicht sein.“
„Bist du denn inzwischen Koch?“, frage ich, was mich mehr interessiert.
„Nein. Mit einer Hand wirst du nicht Koch. Niemand bildet dich aus, und falls doch, wirst du hinterher nicht eingestellt. Deswegen ist das Geschäft hier ein in Erfüllung gegangener Traum. Wir haben mit Xavier einen vorzüglichen Koch, und ich kann mich so viel in der Küche herumtreiben wie ich will. Schade, dass Fergus heute nicht da ist. Ihr hättet euch gut verstanden. Irgendwas ist kaputt – gib ihm Werkzeug, er repariert es. Merle sagt, du kannst das auch. Fergus ist ungeheuer wichtig für alles, was nicht mit Lebensmitteln zu tun hat.“
hundertzweiundvierzigstes Kapitel
Als ich nach Hause komme, werde ich nicht von Telefonklingeln empfangen, das ist ja schon mal ein Erfolg. Stattdessen ist das Haus erfüllt von einem Geschnarch wie von drei finnischen Holzfällern.(252) Das Epizentrum befindet sich im Wohnraum.
Es ist kein Holzfäller, sondern ein Brotverkäufer, der es offensichtlich mit letzter Kraft bis zum Sofa geschafft hat, denn allerhand Kleidungsstücke und andere Gegenstände bilden eine Spur von der Terrassentür her. Ich sammle sie auf und räume das meiste weg.
Wenn er erst vor wenigen Minuten angekommen ist, wäre es blöd, geweckt zu werden. In seinen Schuhen ist keine Restwärme festzustellen. Wobei – wie lange hält Körperwärme im leeren Schuh? Ohne Vergleichswerte ist eine Messung nutzlos.
Weil ich nicht den ganzen Tag im Haus herumschleichen will, höre ich auf damit und bewege mich ganz normal. Ich räume meine Schulsachen weg, verstaue die Leckereien, die Toni mir geschenkt hat und setze Teewasser auf.
Als der Tee fertig gezogen hat, hocke ich mich zu ihm. Ich weiß nicht, wie er das macht, mit dem Rücken zum Raum zu schlafen, ohne vom Sofa zu fallen. Ich könnte vor lauter Unruhe, als nächstes unten zu landen, nicht mal einschlafen. „He“, mache ich sachte, „Wach auf.“
Er dreht sich auf den Rücken. Die erste Erkenntnis, mit der ich konfrontiert werde, ist die: „Jeremy. Stinkreich sein hat seinen Preis.“
„Aha“, mache ich.
Er gähnt und gewährt mir einen tiefen Einblick in sein Inneres. „Wie viel Uhr ist es?“
„Acht. Seit wann bist du hier?“
„Seit kurz nach sieben. Kannst du die Heizung anmachen? Mir ist kalt.“
Ich habe wohl sehr verblüfft geguckt, denn er fragt: „Was ist los, darf mir nicht kalt sein?“
„Doch, schon, aber … das ist das erste Mal, dass du so was sagst, seit wir uns kennen. Warum ist dir kalt? Die Heizung läuft ja schon. Bist du krank?“
„Nein, todmüde.“ Er setzt sich auf. „Stinkreich sein hat seinen Preis.“
„Das hast du gerade schon gesagt. Was ist dein Preis gewesen?“
„Zähl nach.“
Ich will jetzt nicht aufstehen, so wichtig ist es mir nicht, aber er drängt: „Geh schon. Es ist in meiner Jacke.“
„Weißt du es selber nicht?“
Er gähnt anstelle einer Antwort und ich tue, was von mir verlangt wird. Das Geldbündel ist dick. „Fünfzig, hundert, hundertfünfzig … Dreihundertdreißig Euro! Krass!“
Miloš ist zum Tisch gekommen, wo er abwesend den Geldhaufen betrachtet. „Ich habe übrigens schon wieder eine neue Brandblase.“
„Zeig her.“
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