„Levian. Aber der muss sich auch keinen neuen Anzug kaufen.“
„Anzug!“, fällt mir ein, „Was wirst du anziehen? Du kannst Levian jetzt nicht fragen.“
„Ich bekomme vor Ort Kleidung.“
„Tja, dann ist ja alles geklärt. Schönen Abend.“
„Dir auch.“
Ich habe gestern Abend fast zweieinhalb Stunden mit der Frage zugebracht, was ich Toni mitbringen könnte. Erst ist mir nichts eingefallen, dann hatte ich die benötigten Zutaten nicht im Haus und schließlich bin ich zum Entschluss gekommen, dass ich gar nichts mitbringen werde. Muss ich denn einem Koch beweisen, dass ich kochen kann? Lieber nicht. Rezepte können wir später auch noch austauschen, falls sich die Gelegenheit bietet.
Wann Miloš nach Hause gekommen ist, habe ich nicht gehört, also wird es sehr spät gewesen sein. Noch immer wundere ich mich über den fast sittenwidrig hohen Stundenlohn. Er hat bestimmt gehandelt und seinen Preis nach oben getrieben. Tonis Kollege kann nicht immer so viel Geld ausgeben, das hält keine Firma aus. Vor allem würde er dann keine Absagen kassieren bei einem spontanen Termin.
Ich schleiche durchs Haus und mache im Bad keinen Mucks, um ihn nicht zu wecken.
Nach der Schule fahre ich zum Bahnhof und nehme den Zug nach Alkmaar. Dort angekommen steige ich um in einen Bus, fahre drei Stationen und stehe schon fast vor „Tonis delicatessenwinkel“. Das Geschäft befindet sich im unteren Teil des Hauses, aber durch den Eingang kommt man offenbar nur zu Tonis privater Wohnung. Ein Schild mit dickem rotem Pfeil weist die Kunden an, links ums Haus in den Hinterhof zu gehen. Dort sind drei Garagen, quer über die Tore ist der Schriftzug des Geschäfts aufgesprüht. Das kann ich erkennen, obwohl das mittlere Tor offen steht.
Ich finde ein weiteres Schild, ebenfalls mit rotem Pfeil, das mich zum Büro lenkt. Ich folge ihm und öffne eine Tür. Das Büro enthält zwei Arbeitsplätze, Computer, allerhand Bürogeräte, dazu eine cremefarbene Ledercouch und ein Tischchen mit zwei kleinen Mineralwasserflaschen, zwei Gläsern und einer Pflanzschale drauf. Und Merle, die sehr vertieft arbeitet oder etwas anderes am Computer macht, davon habe ich ja keine Ahnung. Ich klopfe.
„Jeremy! Was machst du denn hier?“, fragt sie überrascht und steht auf.
Wir umarmen uns zur Begrüßung.
„Dein Chef hat mich gestern höchst offiziell zu einem Besuch eingeladen. Da bin ich.“
Sie nimmt ein Telefon vom Tisch und drückt eine Nummer. „Toni, dein Besuch ist da.“ Vermutlich fragt er, welcher Besuch, denn Merle sagt als nächstes: „Jeremy.“ Sie hört noch mal zu, sagt: „Tu ich.“ und legt auf. Mir sagt sie: „Er ist oben mit der Kleinen zugange. Die ist heute krank und Mama hat einen Geschäftstermin, also muss er sich kümmern. Er kommt in ein paar Minuten runter.“
„Wie klein ist die Kleine denn?“
„Neun, also nicht mehr so betreuungsintensiv. Die Große ist vierzehn. Wenn du lang genug bleibst, triffst du sie gleich, wenn sie aus der Schule kommt. Kaffee?“, fragt sie.
„Gerne.“ Ich lasse mich auf der Couch nieder. Es duftet interessant in diesem Raum. Ein bisschen nach Büro, nach Drucker und Papier, und sehr viel nach Gewürzen, exotischem Obst und anderen Dingen, die ich nicht benennen kann.
Merle ist durch eine andere Tür verschwunden, auf der „privat“ steht, und von dort kommen auch die Gerüche. Sehr wahrscheinlich, dass da die Küche ist.
Jetzt kehrt sie mit einem Tablett zurück, das sie auf einem der beiden Schreibtische abstellt. Sie bringt zwei Tassen Kaffee zum Tischchen, gibt mir die eine und setzt sich zu mir.
Ich schnuppere an der Tasse. „Mh, das ist aber … mmh! Lecker.“ Zum Trinken ist er noch zu heiß – ich trinke den Kaffee immer etwas abgekühlt.(250) Für die Zwischenzeit will ich wissen: „Was wird da gekocht?“
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