13. März 2016

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„Meist freundlich, manchmal ziemlich laut?“, tippt Miloš grinsend.
„Haargenau das. Kracht es noch zwischen euch, auch wenn ihr jetzt Brüder seid?“
„Davon kannst du ausgehen.“
„Ein Glück“, seufzt sie wieder. „Das klingt vielleicht kitschig, aber ich glaub, dass das ein wesentlicher Faktor dieser Band ist. Lisanne und ich sind letztlich austauschbar. Das sieht man jetzt. Wir kommen ohne sie zurecht. Auf der Bühne haben wir den Dreh noch nicht raus, aber Lieder entwickeln können wir ohne Lisanne. Wir könnten auch jemand anderes dazu holen. Aber eure Einheit – das ist die Basis.“
„Meinst du nicht, dass du ein bisschen dramatisierst?“, gehe ich spöttisch dazwischen.
„Nein, meine ich nicht. Ohne euch beide funktioniert es nicht. Es ist kein Zufall, dass ihr zusammen auch das Rhythmuskorsett bildet. Es gibt viele Bands, die von Brüdern gegründet worden sind. Wenn die ein gutes Team waren, hat fast nur ein Todesfall die Band auseinander bringen können. Wenn die sich nicht verstanden haben, hat es zwar geniale Momente und eine Menge Erfolg gegeben, aber nie Kontinuität.“
„Oasis“, sagt das Musiklexikon.
„Genau. Und als Gegenbeispiel?“
„Bee-Gees.“
„Hervorragend“, ächze ich, „Meine Band hat Gemeinsamkeiten mit den Bee-Gees.“


hunderteinundvierzigstes Kapitel

Donnerstags bin ich nach der Arbeit gerade mit meinen Einkäufen zur Terrassentür herein gekommen, als das Telefon klingelt. Habe ich schon mal erwähnt, dass es mich nervt und ich zu jeder ungefähr dritten Abrechnung erwäge, den Vertrag zu kündigen? Leider wird der Mitbewohner dagegen sein. Eilig lade ich die Einkäufe ab und melde mich mit dem üblichen „Ja?“
„Hallo, hier ist Toni. Ist Miloš zu sprechen?“
„Nein, der arbeitet noch. Bist du Toni vom Delicatessenwinkel?“, frage ich.
„Ja, genau der. Und du bist Jeremy, der Schlagzeuger aus Merles Band, der angeblich so gut kochen kann. Merle sagt, du wolltest mich immer schon mal besuchen, warum hast du das nicht längst getan?“
„Äh … es war keine Zeit.“
„Was machst du denn morgen Nachmittag?“
„Noch nichts.“
„Wann hast du Feierabend?“
„Um halb drei.“
„Gut, dann komm mich doch besuchen.“
„Gerne“, mache ich überrumpelt. „Aber hast du nur deswegen angerufen?“
„Nein, ich wollte Miloš sprechen, aber du sagtest ja schon, dass er nicht zuhause ist.“
„Ach ja, stimmt. Kann ich ihm was ausrichten?“
„Er geht leider nicht an sein Handy dran, aber es ist wichtig. Ein Kollege von mir hat auch einen Partyservice und braucht für heute noch einen Kellner. Der, den er eingeplant hatte, ist krank. Er hat schon alle seine Aushilfen abgeklappert, aber bisher nur Absagen bekommen. Da hat er sich an mich gewandt. Leider habe ich bisher immer versäumt, Miloš zu fragen, ob ich seine Telefonnummer weitergeben darf. Also hänge ich selber am Telefon.“
„Wann muss er wo sein? Muss er bestimmte Kleidung mitbringen? Ach, weißt du was“, fällt mir ein, „ich fahr rüber nach Barenkarspel und sag ihm, dass er dich anrufen soll. Dann könnt ihr alles übrige klären.“
„Danke, Jeremy, das hilft weiter. Und wir sehen uns morgen?“, erinnert er.
„Ja. Ich könnte direkt nach der Schule kommen.“
„Du gehst noch zur Schule?“, lacht er überrascht.
„Ja“, lache ich mit, „als Lehrer.“

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