13. März 2016

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Miloš reagiert mittlerweile allergisch auf Stichworte wie Bühne, wenn sie aus ihrem Mund kommen. „Warum willst du das wissen?“, gibt er die Frage reserviert zurück.
Wenn wir hier nur herumstehen und über Musik reden, statt welche zu machen, kann ich auch noch einen Kaffee trinken. Aus Gewohnheit nehme ich gleich zwei Tassen aus dem Regal und fülle die zweite für Miloš.
„Wir könnten David Kuiper fragen. Er hat doch angeboten, uns zu vermitteln. Wenn wir schon ohne Lisanne Musik machen, sollten wir ja wenigstens in unserem Metier bleiben und nicht auch noch die Musikrichtung wechseln. Vielleicht können wir ja den Saxophonisten von Eurocent überreden, mal für einen Auftritt bei uns mitzumachen.“
„Und wie kommst du drauf, dass wir dringend auftreten müssten?“, versuche ich in Erfahrung zu bringen.
„Wir müssen ja nicht dringend … ich hab nur gedacht, es wäre wichtig, noch einen zweiten Versuch zu starten. Können wir ohne Lisanne gar nichts oder haben wir es übertrieben wegen dem Jazz oder hatten wir einfach einen schlechten Tag? So was muss man doch klären. Außerdem will–“ Mitten im Satz überlegt sie es sich anders, „ach nichts“ und winkt ab.
„Was will außerdem?“, frage ich neugierig nach.
„Außerdem wäre es doch schön, noch mal irgendwo Musik zu machen und dabei Spaß zu haben“, lenkt sie mit einem anderen Satz ab.
„Das wäre in der Tat schön“, gehe ich darauf ein. Augen auf im Straßenverkehr! Hat sie vielleicht eine neue Bekanntschaft, der sie ihre Band vorstellen will? „Ruf David an und frag ihn, ob er was für uns hat. Wichtig ist aber, dass der Auftritt erst nach dem dreiundzwanzigsten Februar stattfindet.“
„Was ist am dreiundzwanzigsten?“
„Da kommen wir aus Bosnien zurück.“
„Ihr fahrt nach Bosnien? Nehmt ihr mich mit?“
„Nein“, meldet Miloš sich endlich wieder zu Wort. „Es ist ein Verwandtenbesuch. Vielleicht bei einem anderen Mal.“
„Aber Jeremy hat doch auch keine Verwandten da unten, wieso darf der mit?“
Kopfschüttelnd verdrehe ich die Augen. Das ist ein typisches Merle-Argument. Warum darf ein anderer, was ich nicht darf? Als sie Kind war, musste der Nachtisch bestimmt mit der Waage ausgeteilt werden, damit niemand mehr hatte als sie.
„Doch, hat er“, legt er stur fest. „Und du hast keine.“
„Warum hat Jeremy–“ Mit einem Mal nimmt sie mir die Tasse weg, ignoriert, dass Kaffee auf den Boden kleckert, fasst meine Hand und zieht sie zu sich. „Ich habs geahnt!“, sagt sie triumphierend und klopft mir auf die Narbe. „Ihr habt euch Blutsbruderschaft geschworen. Der Bund des Lebens, sozusagen. Ich wusste es!“
Ratlos gucken wir erst uns, dann sie an.
Ich mache meine Hand los.
Er fragt: „Woher wusstest du es?“
„Ich hab es gespürt. Irgendwas zwischen euch hat sich verändert seit … ungefähr seit Neujahr.“ Zu mir sagt sie: „Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass du auf so archaischen Männerkram stehst.“
„Von ihm hättest du den archaischen Männerkram erwartet?“ Weil sie nickt, frage ich weiter: „Warum von mir nicht?“
„Du bist viel kultivierter.“
„Und er etwa nicht? Wieso interessiert er sich dann für dieses ganze Literaturzeugs? Und guck ihn dir doch mal an, wenn er kellnern geht! Da komm ich aber nicht gegen an!“
„Das mit dem Anzug und den Manieren und so, das ist die Oberfläche. Drunter ist was anderes … wildes … und ich will lieber nicht damit konfrontiert werden.“
„Klingt gefährlich“, grinst er.
„Bild dir jetzt aber bitte nichts drauf ein, ja?“
Er grinst immer noch. „Warum nicht?“
„Wild und eingebildet ist unerträglich.“

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