13. März 2016

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Oh weia. Will ich „dazu eingeladen“ werden? Eher nicht. „Wie war denn die Predigt?“, bringe ich ihn auf andere Gedanken.
„Sehr komplex. Ich habe nicht alles verstanden, ich muss es gleich nacharbeiten. Es gibt zwei Bibelkreise, Dienstag- und Donnerstagabend, da werde ich hingehen – natürlich nur am Donnerstag. Da wird auch eine Predigt gehalten, aber alle dürfen ihre Meinung dazu sagen und wie sie die Stelle verstehen. Da werde ich viel lernen können.“
Miloš stellt Abendbrot für uns beide hin, deswegen setze ich mich zu ihm. Eigentlich habe ich gar keinen Hunger.

Nach dem Essen nimmt er sich die große Bibel mit den Stichworterklärungen aus dem Regal und arbeitet seine Predigtnotizen durch. Weil ihm das nicht reicht, liest er die Verse danach noch einmal in der serbischen Übersetzung.(244) Dann steht er auf, geht in den Flur und ruft von dort: „Wo hast du denn den Rucksack hingeräumt?“
„Unter die Treppe. Da ist er übrigens immer, falls du ihn noch mal brauchst.“
Er kehrt mit einem abgegriffenen Buch zurück. „Guck, was ich geschenkt bekommen habe“, sagt er und hält es mir hin.
Ich blättere auf. Es ist sehr dünnes, leicht gelbliches Papier und der Text ist in zwei Spalten aufgeteilt. „Eine serbische Bibel“, tippe ich, denn die Buchstaben sind fremd.
„Nein“, sagt er, „eine russische. Das ist total praktisch. So muss mir nicht während der Predigt noch übersetzen, sondern kann gleich in der richtigen Sprache lesen. Soll ich dir gleich etwas vorlesen?“
„Wovon?“
„Na, hier aus der russischen Bibel. Vielleicht übersetzt es dir der Heilige Geist.“
„Sehr witzig. Da könnte ich ja auch direkt in meiner lesen.“
„Tust du aber nicht.“
„Nee, tue ich nicht.“
„Tamar hat mich übrigens gelobt. Mein Russisch ist seit dem Sommer schon viel besser geworden, sagt sie. Andere fahren nach Russland, wenn sie russisch lernen wollen, ich erledige das in den Niederlanden. Diese Gemeinschaft wird mir in vielerlei Hinsicht zum Gewinn.“
Ich mag es nicht mehr hören. Nicht, dass ich es ihm nicht gönne, Anschluss gefunden zu haben an eine gute Jesusgemeinschaft – aber warum ist das bei ihm so toll gelaufen und bei mir gar nicht?
Ich weiß nicht mal, ob ich noch einen weiteren Versuch in einer anderen Kirche starten soll. Wahrscheinlich bin ich einfach nicht dafür geschaffen, neue Wege zu gehen. Es gibt ja so Leute, die machen alles anders als ihre Vorfahren. Mein Kumpel ist das beste Beispiel. Der hat sogar sein Land verlassen. Und andere bleiben eben da, wo die Vorfahren auch schon waren.


hundertneununddreißigstes Kapitel

Montags arbeitet er nur von früh bis um dreizehn Uhr und holt mich an der Schule ab, damit wir schnell mal gemeinsam zum Geldinstitut meines Vertrauens fahren können. Natürlich geht es dort nicht so einfach, wir müssen erst einen Termin machen. Und natürlich ist diese Woche auch nichts mehr frei, aber kommende Woche Dienstag um zehn Uhr. Miloš fährt danach gleich weiter zur Bäckerei, um den Termin abzuklären und gegebenenfalls ein paar Arbeitsstunden zu tauschen.
„Das ging ja schnell“, empfängt Grietje mich, als ich zurück in den Gruppenraum komme.
„Wir mussten erst einen Termin machen. Nächste Woche Dienstag um zehn werde ich noch einmal dafür verschwinden.“
„Ist gut. Guck dir das an“, sie nickt zu zwei Jungen hin, die versunken miteinander spielen. Der eine ist Frederik, er ist schon seit fast einem Jahr bei uns. Der andere, Bo, hat heute seinen ersten Schultag gehabt. Seine Eltern sind hierher umgezogen.

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