13. März 2016

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Besagtes Gebäude in der Zwaagse Straat sieht aus wie eine Fabrikhalle und Scharen von Menschen strömen hinein. Viele kommen wie ich mit der Bahn, andere mit dem Fahrrad oder dem Auto.
Drinnen ist alles genauso groß und voll wie von außen. In der riesigen Halle stehen hunderte Reihen von Stühlen, vorne ist eine drei Stufen hohe Bühne eingebaut, auf der sich eine Band versammelt. Drei Sängerinnen, ein Mann mit Saxophon, eine Frau mit Geige, eine mit Querflöte, zwei Gitarristen, eine Bassistin (das sieht man selten), ein junges Mädchen am Klavier und ganz zum Schluss hastet ein junger Mann hinter die Trommeln. Ohne Soundcheck fangen sie gleich an zu spielen. Vermutlich gab es heute früh schon einen Gottesdienst, bei dem sie auch Musik gemacht haben.
Ich finde einen leeren Stuhl in der Mitte des rechten Blocks und lasse mich nieder. Weil aber alle um mich her im Stehen singen, stehe ich auch wieder auf.
Das musikalische Niveau ist zwar höher als das der Jesus-Pop-Band, als ich dort noch beteiligt war, aber ein Instrument schränkt mein Hörvergnügen ziemlich ein. Besser gesagt derjenige, der es bedient. Es ist der Schlagzeuger. Vielleicht will er die dauernden Taktwechsel als Kunstform etablieren, aber das ist doch kein Rhythmus! Mein perfektionistischer Bassistenfreund würde ausrasten, wenn ich ihm so etwas bieten würde! Die anderen sind eigentlich recht gut, bloß die Mischung der Instrumente ist stellenweise unvorteilhaft. Von Geige und Querflöte hört man kaum was, sie sind zu leise.
Ich lasse die Musikkritik sein, denn dafür bin ich ja nicht hergekommen. Und man darf ja nicht vergessen, wofür die Musik gemacht wird. Wir wollen Gott anbeten.
Das wird dadurch erschwert, dass ich keins der Lieder kenne. Weil ich immerzu nach dem Text in der Beamerpräsentation suchen muss, kann ich nicht richtig mitmachen.
Mit der Predigt ist es ähnlich. In der Reihe hinter mir wird permanent getuschelt. Erst kurz bevor ich mich ärgerlich umdrehen will, geht mir auf, dass da jemand ins Deutsche übersetzt. Nun gut. Aber jetzt, mittendrin, aufstehen und einen anderen Platz suchen? Ich sortiere mal meine deutschen Vokabeln, um die Person hinterher ansprechen zu können.
Eh’ ich es mich versehe, ist die Predigt auch schon rum und die Leute strömen zum Kaffee, zu den Toiletten, zum Büchertisch(243), zur Bühne, wollen mit dem Prediger reden, mit den Bandmitgliedern, mit Freunden, Verwandten, Bekannten, Kinder aller Altersstufen rennen zwischen den Stuhlreihen herum. Es ist ein irres Gewimmel, in dem ich mir verloren vorkomme. Wen soll ich denn hier ansprechen? Wie mit wem in Kontakt kommen? Warum habe ich mich nicht vorher erkundigt, wie groß die Gemeinschaft ist?
Mit einem Mal sehe ich Theodorus am anderen Ende der Bühnentreppe. Ich arbeite mich zu ihm durch. Weil er zwischendurch den Standort wechselt, dauert es eine Weile, bis ich ihn endlich erreicht habe.
Er spricht mit einem jungen Mann in meinem Alter. Ich stelle mich zu den beiden, als gehörte ich dazu.
Theodorus nickt mir freundlich zu, stellt mich aber nicht vor.
Jetzt sagt der junge Mann: „Danke für die Antwort. Das hilft mir sehr.“
„Bitte, nichts zu danken.“
Anstatt uns miteinander bekannt zu machen, geht er weg! Und der junge Kerl geht auch weg! Wie soll ich denn mit irgendwem in Kontakt kommen, wenn niemand mich anspricht?
Ich folge ihm weiter durch das Getümmel und erwische ihn erst, als er bei einer älteren Frau stehen bleibt und mit ihr ein paar Worte wechselt.
Dieses Mal werde ich schneller sein.
Als auch das Gespräch zu Ende ist, lege ich meine Hand auf Theodorus’ Arm.
„Jeremy Willem, was gibt’s?“, fragt er.

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