hundertsiebenunddreißigstes Kapitel
Am späten Mittwoch hat er einen Anruf aus der Bäckerei gekriegt, dass die Aushilfe für morgen früh sich krank gemeldet hat. Man versuche noch eine andere Aushilfe dazu zu holen, aber in der Frühe müsse er jedenfalls den Laden aufmachen.
Das führt dazu, dass wir uns am Donnerstagmorgen nicht sehen. Wenn er nämlich nicht so ganz früh raus muss, essen wir oft zusammen und hinterher bricht er zum Sport auf. Allerdings stehe ich nicht für ihn früher auf. Gemeinschaft hin oder her, das bringe ich nicht fertig. Wann wir uns abends sehen werden, kann auch noch niemand sagen. Eigentlich wäre er bis Ladenschluss eingeteilt gewesen, aber der Plan ist ja bereits hinfällig.
Nachdem mein Feierabend erreicht ist, hänge ich erst ein bisschen planlos zuhause herum – ich bin schon so daran gewöhnt, nicht alleine zuhause zu sein, dass ich mir ein Ausgleichsprogramm ausdenken muss, wenn mein Mitbewohner mal keine Zeit hat für mich – dann besinne ich mich unseres neuen Möbelstücks.
Ich habe das Sofa schließlich nicht repariert, damit es nur in der Gegend herumsteht! Leider ist die reine Liegefläche per Zollstockdefinition genau 1,77m lang; für Südeuropäer reicht das. Aber wenn ich ein paar Stuhlkissen auf die Lehne lege und darauf meine Beine, geht es. Jetzt den Fernseher anschalten … das wärs. Feierabend, Sofa und Fernseher, das gehört ja irgendwie zusammen. Ach, und vielleicht ein Bier.
Dabei fällt mir ein: Sag mal, Jesus, wenn das alkoholfreie Jahr rum ist, gibt’s dann wieder Bier in meinem Haushalt?
Das solltest du vielleicht Miloš fragen und nicht mich.
Du könntest ja mal fix in die Zukunft gucken und es mir sagen.
Du könntest auch einfach abwarten, bis es so weit ist.
Och menno. Was bringt die Herrschaft über Zeit und Raum, wenn man sie nicht nutzt?
Statt mich weiter über ungenutzte Fähigkeiten zu ärgern, nutze ich meine eigenen Fähigkeiten, gehe in die Küche und lasse mich vom Vorhandenen inspirieren.
Mommi hat kürzlich von einer Freundin mit großem Gemüsegarten ein paar Kürbisse geschenkt bekommen und den größten hat sie an mich weitergeschenkt. Kürbisse lassen sich lange lagern. Aber ich glaube, heute ist sein letzter Tag gewesen. Ja, es gibt Kürbis-Kartoffelmus mit braunen Champignons.
Ich schäle und zerteile den Kürbis und so auch die Kartoffeln und koche beides gemeinsam. Derweil putze ich die Pilze und schmore sie kurz in Butter an. Als die Kartoffeln gar sind, püriere ich sie und den Kürbis, schmecke mit Salz, Pfeffer, Muskatnuss, körniger Brühe und diversen Kräutern ab, gebe zwei Eier hinzu und reichlich geriebenen Emmentaler.(240) Wenn nun der Mitbewohner käme … aber er kommt nicht. Ich esse alleine.
Weil es ja nicht sinnlos herumstehen soll, verziehe ich mich nach dem Essen wieder aufs Sofa. Schade, dass es zum Liegen zu kurz ist! Sollten wir uns vielleicht noch ein zweites Sofa zulegen? Aber zum Sitzen ist es ja auch fein. Ich lege die Füße auf den Korbsessel und will mir ein Buch aus dem Regal nehmen. Arm zu kurz! Ich schiebe das Sofa näher ans Regal. Jetzt ist die Deckenlampe zu weit weg, um die kleinen Buchstaben zu erkennen. Eine Leselampe wäre praktisch. Mal sehen, welche verwertbaren Einzelteile habe ich denn noch auf Lager? Eine alte Schreibtischlampe ohne Fuß. Hm. Wenn ich die ans Stativ des Baustrahlers montiere … den Strahler braucht man ja nicht jeden Tag. Oder könnte ich die fußlose Lampe direkt am Sofa befestigen, damit es sozusagen eine erleuchtete Liegestatt ist?
Zur Befestigung dient mir der Schrubberstiel – müssen wir halt einen neuen kaufen, dazu ist jetzt keine Zeit – und eine Menge Draht. (Unterhalb der Armlehne hält der Draht den Stiel am Sofa, oberhalb die Lampe am Stiel. Ich kann mir mein Bastlerleben ohne Draht nicht vorstellen.) Dazu ein Verlängerungskabel und fertig ist das beleuchtete Sofa! Nun steht meinem Lesevergnügen nichts mehr im Wege.
Ich bin noch keine Seite weit gekommen, als die Terrassentür auf- und wieder zugeht. „Hoi“, macht Miloš, verliert Schuhe, Tasche und Jacke auf dem Weg durch die Wohnung, zieht mich vom Sofa, breitet sich selbst darauf aus und hat die Augen schon zu, bevor er liegt.
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