13. März 2016

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Ich hatte erwartet, dass er mich während der Fahrt Dinge fragt, die vielleicht den miserablen Auftritt betreffen oder die eigentümliche Stimmung in dem Club. Aber nichts dergleichen! Er sagt die ganze Zeit kein Wort. Die Luft zwischen uns fühlt sich mal wieder doppelt still an.
Da fragt man sich schon, warum er unbedingt mit mir alleine sein wollte!
Gegen elf sind wir zuhause, ich esse noch etwas und weil ich müde bin(231), gehe ich ins Bett.

Jemand rüttelt an meiner Schulter, „Jeremy! Er ist weg!“
Das Licht ist an. Ich gucke auf die Uhr, es ist kurz nach Mitternacht. Höchstens eine halbe Stunde habe ich geschlafen. „Was ist denn los?“
Miloš guckt mich mit Angst im Blick an. „Er ist weg!“
„Wer ist weg?“
„Der Geist!“
Ich fasse seine Hand an, sie ist kalt. Kalt? Ich ziehe ihn neben mich und prüfe die Temperatur an seiner Stirn. Kein Fieber, aber er zittert am ganzen Körper. Sehr seltsam.
„Ich spüre ihn nicht mehr. Jeremy. Warum ist er weggegangen? Erklär mir das. Bitte.“
Wovon redet er? Und warum hat er solche Panik?
Es kann ja sein, dass das hier alles Zufälle sind und es nur ein Durchhänger seines Immunsystems ist und ich alles überinterpretiere – aber was, wenn meine „Atembeschwerden“ Anzeichen von geistlicher Belastung waren? Gegen eine definierte Angst, wie zum Beispiel neulich wegen der Böllerei, kann ich beten, aber wenn ich nicht mal weiß, woher sie kommt? Ich brauche jetzt sofort einen Heilig-Geist-Experten, denn das hier ist ein paar Nummern zu groß für mich. Mir fällt nur einer ein. Dass unser Haushalt gerade im Besitz eines Autos ist, kommt mir dabei sehr gelegen. Ich ziehe mich wieder an; Miloš muss nichts anziehen, weil er noch nichts ausgezogen hat.

Kurz hinter Hoorn verlasse ich die Schnellstraße, durchfahre Hauptstraßen, biege in Nebenstraßen ein und halte schließlich in einer kleinen Straße am Stadtrand.
Das Häuschen ist dunkel, aber ich klingele trotzdem an der Tür.
Nach etlichen Minuten tut sich endlich etwas im Hausflur. „Ja bitte?“, fragt eine alte und verschlafene Stimme hinter der Tür, „Wer ist da?“
„Ich bins, Jeremy Willem. Ich brauche deine Hilfe.“


hundertdreiunddreißigstes Kapitel

Theodorus hat seinen Schwiegersohn Thomas, der ihn als Fahrer und Assistent auf vielen Reisen begleitet und der im Nachbarhaus wohnt, zu Hilfe geholt und gemeinsam haben sie für Miloš gebetet, ihm Fragen gestellt und zugehört und die Hände aufgelegt, wie Seelsorge, nur viel intensiver – als Reaktion auf ein akutes Ereignis.
Als ich noch dachte, es würde nicht lange dauern, habe ich mich in die Küche verzogen, um nicht zuhören zu können. Es gibt Dinge in seinem Leben, die will ich nicht wissen. Andere will er mir nicht sagen.(232) Außerdem bin ich sein bester Freund und nicht sein Seelsorger. Das muss man trennen.
Als es dann schon länger gedauert hatte, habe ich meine Erinnerungen an früher ausgekramt, das Gästezimmer gefunden und darin ein Bett, in das ich hineingefallen und sofort eingeschlafen bin.
Mehrmals bin ich wach geworden, weil jemand geschrien hat. So, als würde ein Kampf stattfinden. Aber wer sollte da schreien? Wer sollte kämpfen? Mit wem? Und warum? Ich habe das alles nicht verstanden, vielleicht waren es auch nur Geräusche von draußen.

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