Danach stellt Merle uns vor. „Guten Abend allerseits. Wir sind Donnerdrummel und kommen aus Zuyderkerk. Ich sag das lieber mal gleich: wir sind keine Jazzband. Wir haben überhaupt keine Ahnung von Jazz. Noch dazu sind wir leider nicht mal komplett, die Frau am Akkordeon fehlt. Deswegen mussten wir die Band kurzfristig umstellen. Sonst haben wir nämlich keine E-Gitarre dabei. Aber wir versuchen, das Beste draus zu machen und hoffen, es macht euch Spaß.“
Das erste Lied nach dem Wechsel ist das Höllenlied, das ich mit meiner Textimprovisation versehe. Wir rauben ihm damit zwar die Botschaft, aber für die Botschaft haben wir ja inzwischen auch andere Lieder.
Miloš trommelt, als säße er unter Wasser. Ich drehe mich mehrfach zu ihm um und versuche ihn mit Gesten zu einer schnelleren Gangart anzutreiben, aber er wird nicht besser. Ganz im Gegenteil. Im Laufe des Abends wird sein Verhalten immer seltsamer. Wären wir Luftballons, würde ich sagen, er hat ein winzig kleines Loch, durch das ihm langsam aber stetig die Füllung abhanden kommt. Ich habe so etwas noch nie erlebt, erst recht nicht bei meinem robusten Freund. Ist er vielleicht krank?
Die neuen serbischen Lieder funktionieren genauso wenig wie ihr Erfinder. Es ist, als hätten wir ein Produkt in Einzelteilen geklaut und nachgebaut, ohne den Bauplan zu kennen. Nur mit Gottes Hilfe und unserer Routine(230) kriegen wir die Angelegenheit so hin, dass der Veranstalter das Gefühl hat, sein Geld nicht umsonst ausgegeben zu haben.
Merle und ich einigen uns darauf, keine Zugabe zu geben. Wir trauen uns nicht, den Zuhörern die Wahl zu lassen, weil wir fürchten, dass sie uns nicht wieder auf die Bühne rufen. Wir trennen uns endgültig von der Setliste, wechseln ein letztes Mal, Miloš geht hinter die Trommeln und ich singe zusammen mit ihr den irischen Reisesegen.
Ziemlich bald haben wir schon wieder unsere Sachen im Transporter verstaut.
Steven gefällt unsere Stimmung gar nicht. Er hatte sich auf einen lustigen Abend mit der Band eingestellt und nun ist er von langen Gesichtern umgeben.
„Merle“, fängt Miloš zögernd an, „Könntest du vielleicht–“
„Könnte ich dich vielleicht wieder ans Steuer lassen? Keine Frage!“, kommt sie ihm zuvor und hält ihm den Autoschlüssel hin.
Er nimmt ihn. „Nein, ich meine … könntest du im Transporter mitfahren?“
„Willst du alleine sein? Wenn du wieder so fährst wie eben, schlaf ich sowieso nach zehn Minuten ein, das ist dann wie alleine sein.“
„Ja. Nein. Kannst du mit Jeremy den Platz tauschen?“
„Und wie komm ich dann nach Hause?“
Steven versteht nicht, worum es geht, aber er bietet an: „Ich bring dich heim.“
„Danke“, sagt sie zu ihm, und zu Miloš: „Okay, wir treffen uns morgen zum Mittagessen bei mir. Halb eins. Abgemacht?“
„Abgemacht.“
„Abgemacht, Jeremy?“, erkundigt sie sich extra noch bei mir.
„Ja, logo. Bis morgen.“
„Und ihr räumt auch morgen den Wagen aus?“, fragt Steven.
„Ja.“
„Gut. Den Schlüssel kriegt ihr bei den Bäckern. Ich weiß gerade nicht, wer morgen die Schichtleitung hat, aber irgendwer wird da sein. Nehmt es nicht so schwer. Beim nächsten Mal ist die Lisanne wieder dabei, dann läuft es wieder. Ihr werdet schon sehen.“ Damit schwingt er sich auf den Fahrersitz und lässt den Motor an.
Als der Hinterhof leer ist, frage ich: „Und was tun wir jetzt?“
„Ich weiß es nicht.“
„Es ist scheiße gelaufen, aber das ist bitte nicht dein Problem, mein lieber Perfektionist. Na los, steig ein und fahr uns nach Hause.“
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