„Ich weiß es nicht. Ab mittags habe ich nichts mehr kapiert, nur noch Sachen in den Ofen geschoben und aufgebackene raus geholt, in die Körbe geschüttet oder hinter die Glastheke gelegt, mir an heißen Blechen die Pfoten verbrannt und so weiter.“
„Aber du bist hoffentlich nicht zusammen gebrochen, weil dir die Füße weh taten?“
„Nein“, gähnt er. „Dafür war kein Platz.“
„Morgen hast du frei.“
„Zum Glück.“
„Na komm, auf geht’s. Musik machen.“
„Ist noch Zeit zum Duschen?“
„Wenn du dich beeilst.“
„Heute lassen wir die Pause ausfallen, oder?“, fragt Merle gegen neun Uhr.
„Von mir aus“, gebe ich mein Einverständnis.
„Ohne mich“, verweigert Miloš seines und verzieht sich umgehend auf das Sofa.
„Wieso willst ausgerechnet du eine Pause machen? Dir kann es doch sonst nie schnell genug gehen?“, wundert sie sich.
„Erster Arbeitstag“, erkläre ich, „ihm tun die Füße weh.“
„Nicht nur die“, tönt es matt aus der Ecke.
„Erster Arbeitstag wo? Wieso erfahr ich denn nichts davon?“
„Erster Arbeitstag in Stevens Brotladen in Barenkarspel.“ Wir gehen zu ihm hin.
„In Barenkarspel? Bei der Frau, die sich was wünschen durfte?“
„Genau“, nicke ich. „Sie durfte sich was wünschen und alle haben was gekriegt. Die Frau einen Kollegen, Steven einen neuen Mitarbeiter, Miloš endlich mehr Arbeit für mehr Geld.“
„Und Blasen an den Füßen“, ergänzt sie.
„Pölsterchen“, murmelt er.
Schnippisch geht sie darauf ein. „Ich dachte, dein Körper macht Hornhaut?“
Das Kontra bleibt aus, was beweist, dass er tatsächlich total hinüber ist. Das scheint ihr auch so langsam aufzugehen. „Welche Schuhe hattest du denn an?“
„Die falschen.“
„Die hier?“ Sie klopft gegen seinen rechten Laufschuh.
„Nein, die anderen. Ich dachte, das gehört sich nicht, ich gehe ja nicht zum Sport. Lale hat aber gesagt, ich soll lieber die bequemen Schuhe anziehen.“
„Dreh dich um, leg dich auf den Bauch.“
„Warum?“
Sofort schnauzt sie ihn an: „Tust du einmal, was man dir sagt?!“
Weil er zu fertig ist um sich zu wehren und niemand ahnen kann, was als nächstes passiert, gehorcht er.
Meines Erachtens ist es ein Wunder. Sie zieht ihm einen Schuh und den Socken aus und fängt an, den Fuß zu massieren. Nach einer Weile deckt sie seine Jacke auf den Fuß und macht mit dem anderen weiter. Von Miloš ist während der ganzen Massage kein Piep zu hören. Weil die Chancen gut stehen, dass er sofort eingeschlafen ist, geht sie mit ihrer Kaffeetasse (und mir) runter in den Pausenraum der Bäcker, um die Setliste für Samstag aufzustellen und andere organisatorische Dinge zu erledigen, die uns gleich sicher noch einfallen.
Ich setze mich neben ihm auf die Sofakante. „Wach auf“, mache ich und stupse ihn an.
„Ist denn schon Morgen? Es ist noch viel zu früh zum Aufstehen“, nuschelt er unwillig.
„Es ist Dienstagabend. Komm schon, wach auf. Du kannst hier nicht bleiben, das weißt du. Steven hat es gesagt. Die Versicherung würde nicht zahlen, wenn unten was passiert.“
Er dreht sich auf die Seite. „Ist Merle noch da?“
Ich stehe auf und räume seinen und meinen Kram zusammen. „Nein, die ist schon nach Hause gefahren. Warum?“
„Meinst du, das ist okay, wenn ich sie zum Dank küsse?“
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