„Wenn es mir eines Tages bei Toni nicht mehr gefällt, komm ich zu dir.“
„Das wird bestimmt lustig. Um noch mal auf die Mitarbeiterin in Barenkarspel zurück zu kommen: Sie wünscht sich eine Kollegin. Sie sagt, die Aushilfen sind gut und nehmen ihr eine Menge Arbeit ab, aber die kommen zum Teil nur stundenweise oder halbtags. Sie will jemanden, den sie jeden Tag sieht. Das ist verständlich und passt auch in die Unternehmensstrategie. Ich will nicht immer nur Aushilfen einstellen, sondern den Leuten feste Perspektiven bieten.“
„Braucht man irgendwelche Qualifikationen oder Vorkenntnisse?“, frage ich.
„Du musst den ganzen Tag hinter der Theke stehen können, kassieren und dir im Laufe der Zeit die Zutaten der Backwaren merken können, um die Kunden zu beraten. Mehr nicht. Ich erwarte Zuverlässigkeit, Freundlichkeit gegenüber Kunden und Kollegen und Sauberkeit. Und Kenntnisse der niederländischen Sprache und so“, deutet er lachend an, „Aber das ist ja klar.“
„Hofft man“, schließe ich mich seinem Lachen an. „Hast du schon im Arbeitsamt gefragt?“
„Erwähne dieses Wort nicht!“, jault er theatralisch auf. „Der normale Arbeitslose kommt am ersten Tag vielleicht noch pünktlich, stellt aber mittags fest, dass es ein harter Job ist, nachmittags bricht er fast zusammen, weil ihm die Füße weh tun. Am nächsten Tag meldet er sich krank, am übernächsten kommt er zu spät und wenn man mit ihm schimpft, danach nie wieder. Tut mir leid, wenn das hart klingt, aber solche Pfeifen kann ich nicht gebrauchen.“
„Hast du eine Stellenbeschreibung, die ich aufhängen kann?“, will Merle wissen.
„Ich leg euch ein paar Exemplare auf die Treppe, die könnt ihr nachher mitnehmen, wenn ihr hier Schluss macht.“
Nachdem er uns verlassen hat, spielen wir noch einmal das Höllenlied und ein paar andere der älteren serbischen Gassenhauer und ich verfeinere meine Textimprovisationen. Das macht Spaß! Wenn das Jazz ist, habe ich endlich meine musikalische Heimat gefunden.
Zum Ende unseres Arbeitstages merkt Miloš an: „Ich bekomme Blasen am Hintern von diesem Höckerchen. Wie hältst du es bloß stundenlang darauf aus?“
Merle kommt mir zuvor. „Wenn mein Körper mit solchen Schwierigkeiten umzugehen hat, bildet er Pölsterchen.“
„Pölsterchen“, wiederholt er mit spöttischer Betonung, „Meiner bildet Hornhaut.“
„Trommel ab jetzt immer und du wirst der erste Mensch mit Hornhaut am Arsch sein. Ist doch prima“, giftet sie zurück.
Och nee. Ich hatte geglaubt, sie hätten dieses Stadium hinter sich gelassen!
hundertdreißigstes Kapitel
Der zweite Dienstag des jungen Jahres ist der mit den großen Fortschritten. Unser Rotationsmodell könnte vom Notbehelf zur ersten Wahl aufsteigen. Das Verrückteste daran ist: Die Vorstellung, mit der Gitarre vorm Bauch im Rampenlicht zu stehen und dabei auch noch zu singen hat ihren Schrecken verloren. Es fällt nicht auf, wenn ich eine Strophe vergesse oder Zeilen verwechsle; mit Texten wie daba-daba-dab kann ich mich nicht lächerlich machen.
Donnerstagabends bringt Merle die E-Gitarre mit und wir probieren sie gleich aus. Es klingt zwar wirklich gut und wie vollwertige Rockmusik, denn Miloš gibt ordentlich Gas, wie es so seine Art ist, aber ich möchte meine neue Musikerkenntnis gerne vertiefen. Wer schreibt uns eigentlich vor, auf der Bühne immer in gleicher Aufstellung zu spielen? Warum rotieren wir nicht auch vor Publikum? Ich weiß nicht, ob die Freunde schon bereit sind für derart revolutionäres Gedankengut.
Am späten Freitagnachmittag habe ich vor, nur ein bisschen zum Trommeln in den Proberaum zu fahren, aber plötzlich sind wir alle drei versammelt und machen nahtlos weiter, wo wir am Vorabend aufgehört haben. Ein unglaublicher Entdeckermut hat sich unserer reduzierten Band bemächtigt. Samstags richten wir uns fast schon häuslich im Proberaum ein. Endlich präsentiert Miloš auch seine neuen Lieder.
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