5. März 2016

422

hundertneunundzwanzigstes Kapitel

Weil es ihm nicht schnell genug gehen kann, hat Miloš die Band für Sonntagnachmittag in den Proberaum bestellt.
„Liebe Damen“, fängt er seine Begrüßungsrede an, „wir dürfen in zwei Wochen auf die Bühne. Jazzbar in Amstelveen. Habt ihr Zeit?“
Merle holt ihr Smartphone und beginnt zu wischen. „Jep. Ich hab Zeit.“
„Hervorragend. Und du?“, erkundigt er sich bei Lisanne.
„Tja“, macht die. „Das ist die entscheidende Frage.“
„Versteh ich nicht“, sage ich. „Entweder du hast Zeit oder nicht.“
„Nein, die Frage ist nicht, ob ich Zeit habe oder nicht, sondern die Frage ist, ob ihr ohne mich weitermacht oder während des nächsten Jahres andere Projekte anfangt oder ob die Donnerdrummels sich ganz auflösen.“
„Äh … kannst du das mal ein bisschen genauer erklären?“, bitte ich.
„Ich bin in der zweiten Woche. Heute habe ich einen guten Tag erwischt, aber eigentlich geht es mir seit Neujahr eher mies.“
„Krass“, sagt Merle. „Das geht ja ziemlich fix.“
Sie seufzt. „Wir hatten es nicht so schnell geplant.“
Wovon reden die? „In der zweiten Woche wovon?“, frage ich.(225)
„Denk doch mal nach!“, raunzt Merle mich an. „Sie ist schwanger!“
„Oh!“
Miloš verdreht die Augen.
„Die Frauenärztin sagt, dass Übelkeit während der ersten drei Monate völlig normal ist. Allerdings ist es nicht nur die Übelkeit, die mich ausbremst, sondern ich bin auch fast immer extrem müde. Nach der Arbeit falle ich ins Bett und schlafe bis morgens durch. Zoran gibt sich jegliche Mühe und kocht mir, was ich haben will, aber ich habe in den zwei Wochen schon fünf Kilo abgenommen.“
„Aber du musst doch zunehmen bei einer Schwangerschaft!?“
„Verdammt noch mal, Jeremy!“, donnert Merle mich an, „Kannst du mal das Hirn anschalten, bevor du den Mund aufmachst?“
„Nanana“, nimmt Lisanne mich in Schutz. „Woher soll er das denn wissen? Die Ärztin sagt, ich muss meinen Lebensrhythmus umstellen. Vor allem morgens nicht nüchtern aus dem Haus gehen, sondern am besten schon im Bett eine Kleinigkeit essen, damit der Blutzucker in Schwung kommt. Wenn der in Schwung ist und mit ihm der Kreislauf, wird mir nicht mehr so leicht übel. Leider wird mir morgens schlecht, wenn ich nur dran denke. Seit meine Mutter mich selbst über meinen Tagesablauf bestimmen lässt, frühstücke ich nicht mehr.“
Auch wenn ich den nächsten Anschiss riskiere, sage ich: „Also, ich freu mich für dich und für Zoran, dass ihr ein Baby kriegt.“
Sie streichelt meinen Arm. „Wir freuen uns auch. Es kommt halt nur etwas plötzlich.“ Jetzt wendet sie sich an alle: „Ich hab euch das nur gesagt, weil es wegen der Band wichtig ist. Ansonsten wäre es mir lieb, wenn ihr es für euch behaltet. In den ersten paar Wochen einer Schwangerschaft kann viel passieren und eine Fehlgeburt ist in dem frühen Stadium nicht ungewöhnlich. Wir haben noch nicht mal unseren Eltern was davon gesagt.“
Miloš steht auf und geht eine Runde durch den Proberaum. Und noch eine. Und noch eine. Schließlich schlägt er mit der rechten Faust in die offene Linke und sagt: „Ich bin dagegen, die Band aufzulösen.“
„Ich kann aber im Moment nicht mitmachen. Abends ist mir zwar selten übel, aber dann bin ich todmüde. Ich kann das nicht steuern. Entweder ihr sagt den Auftritt ab oder ihr fahrt ohne mich hin.“

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