5. März 2016

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Abends hänge ich alleine herum und mir ist langweilig. Irgendwann rufe ich Pieter an.
„Hoi“, meldet er sich gleich beim ersten Klingeln.
„Hoi. Was tust du gerade?“
„Ist dir langweilig?“, lacht er.
„Ja. Alle haben was zu tun und ich hab vergessen, mir auch was zu tun zu suchen.“
„Bist du noch so spontan wie früher?“
„Wieso? Was meinst du?“
„Komm rüber.“
„Wie, rüber?“
Er lacht noch mehr. „Becks ist bis morgen Mittag nicht da, und ich habe auch nichts zu tun, wenn man von den ganzen Sachen absieht, die sie mir aufgetragen hat und die ich vor mir herschiebe. Küche aufräumen, putzen, Bettwäsche wechseln und so. Wenn du zu Besuch bist, wird sie einsehen, dass ich mich nicht darum kümmern konnte. Du kannst hier pennen. Na, was ist? Kommst du her?“
Jetzt lache ich auch. „Bin schon unterwegs!“
„Hervorragend!“
Zehn Minuten später bin ich auf dem Weg zum Bahnhof. Ich löse ein Ticket und als ich im Zug sitze, fällt mir ein, dass ich vergessen habe, Miloš einen Zettel zu schreiben, warum er mich zuhause nicht antreffen wird. Hoffentlich denke ich bei Pieter daran, ihn anzurufen.
In Hoorn steige ich um und eine Station später setzt sich mir gegenüber eine junge Frau hin. Sie telefoniert und ich schaue sie mir genauer an. Sie ist ungefähr so alt wie ich(221) und hat vermutlich kurze Haare, denn unter ihrer bunten Strickmütze guckt nichts hervor. Den Augenbrauen nach dürfte sie blond sein. Sie trägt eine Brille und hat ein kleines Piercing im Nasenflügel. Die Nase übrigens sieht sehr hübsch aus. So wie alles übrige an ihr!
Sie unterbricht meine Beobachtungen, indem sie das Gespräch beendet und ihre Tasche öffnet, um das Handy wegzustecken.
„Entschuldigung“, spreche ich sie an, weil sie so freundlich aussieht, „darf ich auch kurz telefonieren?“
Sie traut ihren Ohren nicht, zumindest guckt sie so. „Was?“
Ich wiederhole mein Anliegen. „Darf ich telefonieren?“
„Hast du kein eigenes Handy?“
„Sonst würde ich dich nicht um deins bitten. Falls du dein Handy nicht an Unbekannte verleihen willst, sag ich dir, ich heiße Jeremy.“
„Fraukeline“, stellt sie sich vor. „Hast du in einer Sekte gelebt, die Technik ablehnt?“
„Ich lehne Sekten ab. Von Technik habe ich einfach so keine Ahnung. Meine werten Freunde sagen, das liegt daran, dass ich mich nicht damit befasse. Stattdessen lasse ich sie das immer machen.“
„Es muss ja auch nicht jeder alles können“, stimmt sie zu.
„Eben. Darf ich also telefonieren?“
„Nur, wenn du mir erzählst, was du besser kannst als mit Technik umzugehen.“
„Hinterher.“
„Okay.“ Sie reicht mir das Mobiltelefon herüber.
„Das hat ja gar keine Tasten!“, entfährt es mir. „Wie soll ich die Nummer eintippen?“
Lachend streckt sie die Hand nach ihrem Eigentum aus, „Sag die Nummer.“
Ich diktiere die Zahlen und sie gibt mir das Ding wieder.
Nach dreimaligem Klingeln bin ich in Miloš’ Mailbox gelandet. „Hoi, hier ist Jeremy“, fange ich ausführlich an, denn wenn ich bei einer fremden Nummer nur „ich bins“ sage, ist das vielleicht etwas verwirrend. „Ich wollt nur sagen, ich bin bis morgen beim Pieter.“ Damit gebe ich es der Besitzerin zurück.
„Ein typisches Männertelefonat“, stellt sie fest. „Und jetzt will ich eine lange Liste mit Sachen hören, die du besser kannst als Technik.“

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