5. März 2016

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„Richtig.“
„Aufgrund der Separationsbemühungen deiner Leute enthält der Pass zwar auch kyrillische Schrift und serbische Sprache“, wiederhole ich wie aus dem Lehrbuch, „aber es gibt auf der ganzen Welt kein Papier, das dich als Serben ausweisen könnte. Serbe bist du im Herzen.“
„Genau“, lächelt er. „Deswegen ist serbisch ja auch die Herzenssprache. Und ab Juni werde ich nicht mehr Bosnier sein, sondern Niederländer.“
„Aber da hab ich mal eine Frage, reg dich jetzt nicht wieder auf. Jetzt bist du bosnischer Serbe. Bist du dann ab Juni niederländischer Serbe?“
„Wenn du ab sofort niederländischer Holländer bist, ja.“
„Das klingt übertrieben“, gebe ich zu. „Wir Holländer sind ja sowieso Niederländer. Du willst also die bosnische Staatsangehörigkeit ganz aufgeben. Aber was machst du, wenn du eines Tages wieder in Bosnien leben willst?“
„Die Frage stellt sich nicht.“
„Aber du bist doch Patriot – wie kannst du die Rechte an deinem Heimatland aufgeben?“
Er hebt die Schultern. „Wenn ich nur eine Staatsangehörigkeit haben kann, will ich die niederländische. Was habe ich mit Bosnien zu tun?“
„Zum Beispiel könntest du eines Tages eine entzückende Bosnierin treffen … vielleicht nicht gerade eine moslemische … und wieder dahin zurück auswandern.“
„Gut. Kann sein. Aber denk mal scharf nach, was ich dir eben noch geschworen habe. Wie hoch sind die Chancen, dass du nach Bosnien auswanderst? Eher gering, würde ich sagen. Wofür brauche ich einen bosnischen Pass?“
Ach, das liegt nun alles an mir? Oh je. Manchmal habe ich Bammel vor seiner Konsequenz. „Ich dachte, es gäb auch eine doppelte Staatsangehörigkeit.“(218)
„Die gab es bis vor ein paar Jahren, sagt Godfried. Man kann sie noch beantragen, aber das kostet sehr viel Geld, über achthundert Euro. Für die einfache zahle ich nur knapp zweihundert.“ Er bringt zwei große Becher und den Topf auf den Tisch.
Ich teste den Kakao. „Mhh, das ist dir aber hervorragend gelungen“, lobe ich.
Er winkt ab. „Gib dir keine Mühe, aus mir wird kein Koch.“


hundertfünfundzwanzigstes Kapitel

Nach dem gestrigen Hochgeschwindigkeitstag ist es mir recht, dass heute nichts los ist. Außerdem ist es der letzte richtige Schulferientag, Montag fängt der Tag wieder drei Stunden früher an als in den vergangenen zwei Wochen.
Von Miloš’ Sport abgesehen gammeln wir den ganzen Tag zuhause herum und denken uns aus, was wir gern mal hätten oder tun würden.
Miloš erneuert seine Liebstes-Reiseziel-Idee von der Vorstellungsrunde auf Dersummeroog. Er will immer noch mit mir nach Schweden und in den Schären segeln (und selber segeln lernen) und Schwedinnen treffen und mir die Mitternachtssonne zeigen. Am liebsten will er alles das im nächsten Sommer schaffen.
Und zu Dragan und Dijana wollen wir ja auch! Da kommen reichlich Kilometer für mich zusammen.
Mein nächstes Ziel ist eher ortsbezogen. Hinterm Haus will ich einen Schuppen bauen, in den wir die Werkbank stellen können. Noch steht sie im Flur und es ist gut, dass wir schlank sind, sonst kämen wir nicht daran vorbei. Zu Merles Glück hat der Flur genug Türen, um den Engpass auch anders umgehen zu können.
Ich erzähle natürlich auch von meinem Europareise-Segeltraum.(219)
„Nimmst du mich mit?“, fragt er sehnsüchtig.
„Na hör mal! Wer von uns beiden ist das Verständigungsgenie, vor allem was Osteuropa betrifft? Natürlich nehme ich dich mit!“
„Wie lange wird die Reise ungefähr dauern?“
„Keine Ahnung.“
Er steht auf und nimmt den Atlas aus dem Bücherregal, „Hast du ein Lineal hier unten? Wir können die Kilometer messen.“
„Eine Landrattenidee“, spotte ich gutmütig. „Was bringt es dir zu wissen, wie lang die Strecke ist, wenn du nicht weißt, welche Windverhältnisse du unterwegs hast?“
„Stimmt.“ Verlegen stellt er das Buch zurück und setzt sich wieder hin. „Willst du mit oder gegen den Uhrzeigersinn reisen?“

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