5. März 2016

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Er brummt etwas, das wie „grzksch“ klingt, wahrscheinlich irgendwas serbisches. Serbische Wörter kommen bisweilen ohne Vokale aus.
„Übrigens wollte ich mit dir übers Geld reden. Ich will, dass wir zu einem vernünftigen Umgang damit kommen. Diese Verbrauchsliste, die du hier eingeführt hast, ist völlig schwachsinnig. Es interessiert mich nicht, was ich gezahlt habe und was du davon verbraucht hast und umgekehrt. Und wenn einer mal weniger Geld hat im Monat, will ich nicht, dass wir auf Sachen verzichten, bloß weil einer seinen üblichen Anteil nicht zahlen kann.“
„Was stellst du dir stattdessen vor?“
„Wir eröffnen ein gemeinsames Konto.“
„Davon halte ich nichts. Außerdem wird es davon auch nicht mehr Geld.“
Das stimmt zwar, aber: „Du bist ja nur dagegen, weil du weniger hast als ich. Hättest du gleich viel oder mehr als ich, wäre es kein Problem für dich“, stelle ich eine nicht allzu gewagte These in den Raum. „Mit Helena hatte ich auch ein gemeinsames Konto und es hat gut geklappt, obwohl wir unterschiedlich viel Geld hatten.“
„Das ist ja nun mal was ganz anderes. Wir sind kein Paar.“
„Aber eine Lebensgemeinschaft, denn wir wohnen zusammen, also könnte man das schon vergleichen. Denk mal drüber nach. Ich sehe da wie gesagt nur Vorteile.“
„Ich halte wie gesagt nichts davon.“
„Willst du es dir nicht mal in einer ruhigen Minute überlegen?“
Miloš atmet tief ein. „Mein lieber Freund“, sagt er ruhig, „wenn ich sage, ich halte nichts davon, werde ich auch nach hundert ruhigen Minuten Nachdenkerei nicht mehr davon halten. Falls du das nicht verstehst, sage ich es dir anders: Ich will nicht. Kapiert?“
„Aber warum denn nicht?“
„Weil ich nicht will!“, schnauzt er mich abrupt an.
„Und warum schreist du schon wieder so rum?“
„Weil du, wenn du von einer Sache überzeugt bist, überhaupt kein Nein kennst! Erst recht, wenn du glaubst, diese Sache könnte deinen Mitmenschen helfen! Das hängt mir so zum Hals raus! Wehe, jemand will sich nicht helfen lassen! Dann nervst du so lange rum, bis du endlich deinen Willen kriegst! Das ist keine Hilfe, das ist eine Zwangsjacke!“
„Aha, ich nerve dich also. Glaubst du, mich nervt es nicht, dass du ständig kein Geld hast? Und da biete ich dir an, gemeinsame Kasse zu machen, damit es nicht mehr auffällt, ob du pleite bist, und, was hältst du davon? Nichts. Ohne Gründe. Sehr großartig! So macht man keine Kommunikation!“(215)
„Wenn deine Kommunikation so geht, dass ich nachgebe, sind mir die Regeln scheißegal!“
„Darum geht es doch gar nicht!!“
„Ach ja, worum geht es denn sonst? Willst du mir eine freie Entscheidung lassen? Darf ich dagegen sein?“
„Ich verstehe nicht, warum du immer dagegen sein musst! Ich biete dir ein gemeinsames Konto an, und du bist dagegen! Erklär mir warum!“
Miloš ballt die Fäuste, dreht sich weg, schnaubt wie ein Drache, wendet sich zu mir um und holt Luft, aber dann stürmt er aus dem Raum.
Ich hinterher. Im Flur packe ich seinen Arm, „Du bleibst gefälligst hier!“
Mit vor Zorn dunkelrotem Gesicht sagt er: „Jeremy, das habe ich dir noch nie gesagt, aber jetzt sage ich es dir: Reiz. Mich. Nicht. Sag mir nicht, was ich zu tun habe. Ich bin gerade meinem Vater entkommen, da wirst du nicht genauso weiter machen wie er. Verstanden?“
Noch nie hat er mir derart deutlich eine Grenze aufgezeigt. Diese Grenze ist nicht nur ein Zäunchen, das man in die Landschaft stellt, sondern die allerletzte Warnung. Es erschreckt mich, dass ich offenbar alle Grenzen davor schon überrannt habe, ohne es zu merken.
„Hast du mich verstanden?“, will er wissen.
„Ja.“
Er geht in die Küche, Sekunden später höre ich die Terrassentür.
Ich renne wieder hinterher. „Wo willst du hin?“, rufe ich ihm nach.
„Luft holen.“
Ich sehe, wie er sich durch den strömenden Regen auf dem Trampelpfad zwischen den Wiesen entfernt, ohne Jacke und an den Füßen nur die Schlappen, die er als Hausschuhe nutzt. Ich habe Angst. Muss das so sein, dass ich, wenn ich mit jemandem zusammen wohne, die Grenzen übertrete und das Gegenüber in die Ecke treibe, bis es nur noch einen Ausweg sieht, nämlich die Flucht nach vorn? Seine Ansage war nichts anderes. Was, wenn wir eines Tages so doll streiten, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben will?

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