5. März 2016

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„Nein, tut mir leid. Ich habe kein Geld mehr.“
„Wieso, es ist doch Anfang des Monats?“
„Aber gestern habe ich mir ein Handy gekauft, das musst du noch wissen, sonst hättest du ja nicht diese Nummer gewählt, sondern die alte.“
„Aber du hattest doch mehr als fünfzig Euro!“
„Aber jetzt ist es weg! Ich habe es für andere Dinge ausgegeben als für Brot!“
„Kannst du dir nicht was leihen?“
„Bei wem soll ich mir was leihen? Außerdem kannst du doch mal für zehn Minuten deine Putzkolonne verlassen und zum Bäcker gehen! Du musst schließlich dieses Biobäckerbrot haben und es darf nicht aus dem Supermarkt sein!“
„Ja, das muss ich dann wohl tun“, stelle ich kühl fest und verabschiede mich.
Das geht mir ganz arg auf die Nerven. Die Hälfte der Zeit kann er irgendwelche Dinge nicht kaufen, weil er pleite ist. Warum kann er sein weniges Geld nicht besser einteilen? Gut, dass ihm das Handy geklaut wurde, ist nicht seine Schuld, aber warum nimmt er nicht einen zusätzlichen Job, für den er flexibel genug ist?
Steven hat nämlich im Herbst eine andere Aushilfe eingestellt, die flexibler auf die zeitlichen Anforderungen der Großbäckerei reagieren kann, und seit im russischen Supermarkt eine Polizeirazzia stattgefunden hat, bei der sich herausstellte, dass gut ein Drittel der Mitarbeiter keine gültige Aufenthaltsgenehmigung hat und der Besitzer noch dazu das Finanzamt beschissen hat, ist der Laden geschlossen. Da lässt sich also auch nichts mehr verdienen.
Er kann allen möglichen Kram und hat jede Menge Kontakte und nutzt nichts davon. Ich begreife es nicht, vor allem weil es ihm ja auch selber auf den Geist geht, dass er immer so knapp bei Kasse ist. Gestern habe ich ihm das Eintrittsgeld fürs Schwimmbad schon fast aufzwingen müssen, damit er wenigstens im Restaurant selber zahlen konnte! Nie im Leben hätte er zugelassen, dass Merle und ich zusammenlegen, um seine Zeche zu zahlen!
Das geht schon so, seit wir gemeinsam wohnen. Mit dem Umzug hat sich seine wirtschaftliche Situation erst verschärft, weil die anteilige Miete natürlich höher ist, dann hat sie sich etwas entschärft, als er mit den Raten für den Führerschein fertig war, aber als nächstes wird er einen neuen Anzug kaufen, und selbst wenn er versichert ist und Toni etwas dazugibt, wird das keinen ganzen Anzug ergeben. Wir müssen eine andere Lösung finden. Meine finanziellen Ressourcen sind ja auch nicht endlos, auch wenn ich durch die Jahre in der vergleichsweise kleinen Wohnung immer etwas habe zurücklegen können.

Nachdem ich den Kollegen mitgeteilt habe, warum ich sie kurz verlassen muss, habe ich einen Zettel voll weiterer Wünsche aufschreiben dürfen und anschließend – begleitet von kräftigen Regengüssen – einen Großeinkauf zurück zur MBB geschleppt. Von kurz verlassen konnte da keine Rede mehr sein.
Grietje und Bernard haben die großen Schränke ausgeräumt und ausgewischt, das trifft sich gut, denn jetzt können wir sie noch von den Wänden abrücken und dahinter putzen. Die Reinigungskräfte, die sonst bei uns wirken, können sich nicht darum kümmern, außerdem sind ja auch meist noch irgendwelche großen und kleinen Leute anwesend, da bleibt keine Ruhe, um einen ganzen Schrank zu leeren.
Shelley hat in der Zwischenzeit die Fundstücke sortiert; wenn das nächste Mal ein Puzzle gelegt wird und ein Teil fehlt, kann man direkt in der entsprechenden Dose nachsehen und vielleicht kann man zusammen bringen, was zusammen gehört. Ansonsten ist es vielleicht einfach mal an der Zeit, etwas wegzuwerfen. Wir sind ja nicht bei armen Leuten!

Auf dem Heimweg erledige ich meine restlichen Einkäufe (gut, dass ich eben schon Brot geholt habe, denn der Lieblingsbäcker schließt recht früh) und überlege mir unterwegs, was ich heute kochen will. Aber eigentlich will ich nicht. Ich habe mittags warm gegessen und Miloš hat sicher in Tonis Küche was bekommen. Und wenn nicht, wird er auch nicht verhungert sein, selbst wenn er pleite ist.

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