8. Januar 2016

405

hundertdreiundzwanzigstes Kapitel

Der zweite Tag des Jahres fängt sehr gut an, denn niemand zwingt mich zur Unzeit auf die Terrasse, um Naturwunder zu betrachten. Allerdings gibt es auch keine, zumindest nicht beim Wetter. Es regnet.
Als ich im Bad angekommen bin, sehe ich, dass ausgewaschene Sportklamotten auf dem Wäscheständer hängen. Das bedeutet, dass mein Mitbewohner endlich wieder joggen gewesen ist. Das freut mich für ihn. Es war schwierig ohne seinen Sport (für uns beide), auch wenn er sich immer beherrscht hat.
Ein Zimmer weiter informiert mich ein Zettel am Wasserkocher, dass er geschäftlich in Alkmaar ist. Geschäftlich! Das hört sich sehr wichtig an. Dann jedoch fällt mir ein, dass Merle ihm gestern geraten hat, sich wegen des Anzugs bei Toni zu melden.
Ab zehn Uhr bin ich mit Grietje, Bernard und Shelley in der MBB verabredet. Wir wollen in unseren Driehoeken-Räumen gründlich aufräumen und reparieren, was kaputt gegangen ist. Dafür ist im normalen Schulalltag meist keine Gelegenheit.
Im Laufe der Zeit finden wir reichlich einzelne Puzzleteile, vergessene Würfel oder überflüssige Spielsteine, auch allerhand anderen Kram, der nicht an seinem Platz ist.
Zum Mittag bestellen wir uns Pizza, denn die Kantine hat natürlich zu.
„Nächstes Mal müssen wir unbedingt wieder mit den anderen zusammen aufräumen“, sagt Grietje beim Essen. „Das ist viel lustiger.“
„Warum tun wir es dieses Mal nicht?“, erkundigt Bernard sich.
„Wir haben keinen gemeinsamen Termin gefunden, irgendwer hat immer schon einen anderen Termin gehabt, es klappte nie. Die Vierhoeken haben schon im Dezember ihren Saubertag gehabt und die Cirkelen sind morgen dran.“
„Warum sind wir denn dann nicht morgen hier?“, will Shelley wissen.
„Du kannst gerne hingehen, wenn du möchtest, ich bin auf einer Silberhochzeit eingeladen. Das ist zwar erst abends, aber die Feier findet in Schleswig statt. Da muss man ja auch erst mal hinkommen.“
„Wo ist denn das?“
„In Norddeutschland, fast schon in Dänemark. Meine alte Schulfreundin Emma musste ja unbedingt einen Marineoffizier mit Wikingerverwandtschaft heiraten!“
„Offenbar war es eine gute Idee, sonst würden sie ja nicht die Silberne feiern.“
„Ja. Wir waren damals zwar alle dagegen, weil sie sich auch erst drei Monate kannten, aber hinterher habe ich gedacht, wir hätten zu ihr stehen sollen. Es wäre schöner gewesen – für uns alle. Zum Glück ist sie nie nachtragend gewesen und hat uns verziehen. Mit den meisten hat sie auch noch Kontakt. Deswegen ist es umso wichtiger, dass ich zu ihrer Silberhochzeit komme, wenn ich schon bei ihrer richtigen Hochzeit nicht dabei war.“
„Hast du sie denn in der Zwischenzeit nicht gesehen?“
„Doch, oft. Aber so ein Ehejubiläum ist doch etwas ganz besonderes.“
„Wie weit fährt man bis Schleswig?“, fragt nun Bernard.
„Etwas über fünfhundert Kilometer. Wenn wir gut durchkommen, sind wir am frühen Nachmittag da, sagt Jost. Hoffentlich geraten wir nicht in den Rückreiseverkehr, denn die deutschen Schulen fangen auch am Montag wieder an.“
Jetzt klingelt es an der Tür und ich verlasse die Erinnerungsrunde. Es ist der Postbote, der ein Päckchen abzugeben hat, es ist allerdings nicht für mich und ich lege es der Kollegin in ihr Fach. Auf dem Rückweg in den Pausenraum mache ich in der Küche halt und nehme mir eine Flasche Apfelschorle aus dem Kühlschrank.
Zwischen der Küche und dem Pausenraum fällt mir noch etwas ein und ich gehe zurück ins Büro, wo das Telefon auf der Ladestation steckt. Ich rufe zuhause an, doch dort ist niemand. Also wähle ich Miloš’ neue Handynummer(214) und als er sich meldet, sage ich: „Hoi, ich bins. Ich hab heute früh vergessen, Brot einzukaufen und wir wollen hier jetzt weiter machen. Kannst du gleich welches holen?“

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