8. Januar 2016

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„Man kann durchaus ohne Alkohol Spaß haben“, grinst er.(212)
„Das sag ich Ihnen. Man muss nur ein paar Stunden mit den beiden Kerlen hier rumhängen und hat mehr gelacht als bei einer versoffenen Party.“
„Und am nächsten Tag hat man keinen Kater.“
„Sehr richtig.“
„Hat es Ihnen geschmeckt? Kann ich die Teller abräumen?“
Wir sind uns einig darin, dass wir sehr gut gegessen haben und helfen beim Zusammenräumen des Geschirrs.
„Sagen Sie“, fällt Merle ein, „wissen Sie zufällig, ob der Koch vom 4020 eine neue Stelle hat? Wir haben vorhin drüben gehört, dass er gestern seinen letzten Arbeitstag hatte.“
„Nein, keine Ahnung. Ich habe mitbekommen, dass ein neuer Koch gesucht wird, schon länger. Aber sämtliche Details entziehen sich meiner Kenntnis. Ist mir auch nicht so wichtig, solange meine Köchin bei mir bleibt.“
„Wenn die Köchin gehen will, bieten Sie ihr so lange mehr Geld, bis sie ihre Entscheidung zurück nimmt“, sagt Miloš ernst. „Sie ist jeden Cent einzeln wert.“
„Es freut mich, dass Sie mit ihrer Arbeit zufrieden sind. Wenn Sie ab jetzt öfter kommen, hören Sie aber bitte auf, meine Frau zu küssen.“
Er errötet. „Das ist nichts persönliches. Eine rein fachliche Anerkennung.“
Jetzt ist es Merle, die fast platzt. „Eine rein fachliche Anerkennung! Du bist zu komisch!“

Sie braucht bis Egmond, bis sie sich von diesem Wortwechsel erholt hat. Immer wieder bricht wieherndes Lachen aus ihr. Zum Glück hat Miloš sie überreden können, ihn ans Steuer zu lassen, sodass das keine Auswirkungen auf die Fahrweise hat. Ihr Fahrstil ist nämlich nicht hilfreich, wenn man gerade viel gegessen hat.
Weil es schon halb vier ist und bald dunkel wird, lotsen wir ihn erst zum Strand. Die Schranken am großen Parkplatz direkt hinter den Dünen stechen in den grauen Himmel, dennoch steht kein Auto darauf.
Auch auf dem Weg durch die Dünen begegnet uns keine Menschenseele.
Oben auf der letzten Dünenkette vor dem Meer bleiben wir stehen. Mir ist so danach, und ich lege meinen linken Arm um Merle und den rechten um Miloš und ziehe die beiden zu mir. Merles Arm legt sich direkt um mich, Miloš lässt sich mehr Zeit, bis er die Geste erwidert.
Nachdem wir dem Wind ein paar Minuten getrotzt haben, gehen wir runter an den Strand. Ich weiß nicht wie es angefangen hat und wann und warum, aber als wir unten angekommen sind, halten Merle und ich uns an den Händen. Miloš ist weit voraus, ich will meine Hand losmachen und hinterher, aber sie schaut mich bettelnd an. „Es ist so schön warm.“
Verrückterweise muss ich genau jetzt daran denken, was Merles Geschwister aus unseren beiden Namen machen könnten. Mermy? Jerle? Das klingt alles sehr seltsam.
Sie bleibt im Windschatten des leeren Strandcafés stehen. Ich lehne mich an einen der vom ewigen Flugsand geglätteten Pfeiler und schaue den grauen Wolken zu, wie sie über den grauen Himmel jagen.

Bei Merles Vater(213) bekommen wir alle zusammen Kaffee und Plätzchen, Merle bekommt außerdem heißen Grog und Miloš für fünfzig Euro ein Mobiltelefon, das noch kein Jahr alt ist.
Seine Freundin versucht uns zu überreden, zum Abendessen zu bleiben, aber ich will nach Hause. Der Tag war ereignisreich und ich will lieber in Ruhe ein Käsebrot essen als noch eine fremde Küche testen und noch mehr Leute kennen lernen und noch mehr in meinen ohnehin randvollen Kopf füllen.

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