„Das entzieht sich meiner Kenntnis, fragen Sie bitte den Chef des Hauses. Wollen Sie nun den Zweiertisch oder wollen Sie warten?“
Ich gucke auf den angewiesenen Tisch. Er steht zwischen dem Küchenausgang und der Tür, die zu den Toiletten führt. Eine Geschirrmenge für ein mittleres Gelage türmt sich darauf – das kann nicht von einem bzw. zwei Gästen stammen, eher wird es der Rückstau von der Spülmaschine sein.
Merle fertigt die junge Frau unfreundlich ab: „Ich wollte nicht auf der Autobahn sitzen, sondern etwas essen. Es war ein Fehler, überhaupt hierhin zu kommen. Jungs, wir gehen.“
„Sei doch nicht so gemein zu ihr!“ Miloš lächelt der Kellnerin im Rausgehen zu.
Vor der Tür schimpft sie los: „Ich fass es nicht! Er hat Armand rausgeschmissen! Den letzten, der es mit ihm ausgehalten hat!“
„Du weißt nicht, ob Armand vielleicht selber gekündigt hat.“
Sie hört mir gar nicht zu. „Den besten Koch, den er kriegen konnte! So ein hirnverbranntes Arschloch! Schande auf den Wichser! Und als Ersatz für mich stellt er so ein aalglattes Karriere-Mädelchen ein! Ich könnte kotzen!“
Ich packe ihre Schultern und schüttele sie. „Hör endlich auf!“ Ihr sinnloses Gezeter geht mir zunehmend auf die Nerven.
Miloš trennt uns. „Es reicht“, sagt er ruhig. „Jeremy wird zum Tier, wenn er nicht augenblicklich etwas zu essen bekommt. Willst du das? Ich sage dir, du willst es nicht. Bring uns also schleunigst zur nächsten guten Küche. Und dann will ich für den Rest des Tages nichts mehr über deinen alten Chef hören. Verstanden?“
„Verstanden“, knurrt sie.
hundertzweiundzwanzigstes Kapitel
Zwei Straßen weiter stoßen wir auf „Pendovski“, ein Restaurant, in dem laut Aushang internationale Spezialitäten geboten werden.(211) Von den Äußerlichkeiten könnten die Unterschiede nicht größer sein. Im 4020 ist alles stylisch und hip. Hier müsste dringend renoviert werden. Die Einrichtung ist zwar sauber, aber alt und abgenutzt. Und nach dem Getöse herrscht hier fast Stille, aber es ist auch nicht viel los; nur zwei Tische sind besetzt. Wir lassen uns nieder.
Vom dem einen Tisch steht ein älterer Mann auf und bringt uns drei Speisekarten.
„Guten Tag. Wissen Sie schon, was Sie trinken möchten?“
Merle hätte gern eine Cola, Miloš ein Mineralwasser und ich eine große Apfelschorle. Ich ordere auch gleich einen Salat, das geht fix und wird mein Überleben sichern.
Miloš fragt den Kellner nach der Küche.
„Was willst du da?“, erkundigt sie sich.
„Es gibt ein paar Dinge zu klären“, winkt er ab und geht zur angewiesenen Schwingtür.
„Da“, ich tippe mit dem Zeigefinger auf ihre Karte, „es gibt jugoslawische Gerichte. Er muss bestimmt mit dem Koch die Zutatenliste besprechen.“ Die Preise sind winzig und die Erklärung dafür steht am Fuße jeder Seite: die Portionen sind es auch. Das haben die Besitzer des Hauses sich ausgedacht, damit man mehr als ein Gericht essen kann – oder, wenn man nur einen kleinen Hunger hat, nicht die Hälfte wegwerfen muss. Ein derart schonender Umgang mit Lebensmitteln ist mir noch in keinem Restaurant begegnet.
„Wenn es ein Yugo ist“, orakelt sie.
„Ist es keiner?“
„Ich weiß die Nationalität nicht, aber ich glaub, es ist die Frau vom Chef.“
„Und der Chef ist der Mann da drüben?“
„Nein, der sieht anders aus.“
„Aber wenn der Laden Pendovski heißt, muss der Balkan ja irgendwie beteiligt sein.“
„Pendovski klingt eher polnisch.“
„Dann wären polnische Gerichte auf der Karte und keine jugoslawischen und Miloš wäre jetzt nicht in der Küche.“
„Aber es kann doch trotzdem sein?“, will sie nicht nachgeben.
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