8. Januar 2016

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Ach ja, fällt mir ein, sie ist ja viel sensibler als sie ihre Mitmenschen glauben lässt.
In die Stille hinein rutscht der nächste Pfannkuchen auf meinen Teller und sie stellt mir ein Glas dunkle Schokocreme hin.
Pistazienstückchen sind drin. Köstlich. „Ich hab geheult, weil er mich auch berührt hat. Er hat mir etwas gesagt.“
„Und … ähm … was war das?“
„Er hat mir gesagt, dass er mich liebt.“
Auf einmal hat sie nasse Augen. „Wenn du über deinen Gott redest, kommst du früher oder später immer beim Thema Liebe an, ist dir das mal aufgefallen?“
„Das hat einen ganz einfachen Grund. Gott ist die Liebe.“
„Ich dachte, er wäre Kirchegehen und Bibellesen und so.“
„Nein, das hat nur sehr wenig mit ihm zu tun. Es stimmt, es ist gut, wenn du in der Bibel liest, weil du darin mehr über ihn lernst und auch über dich. Und es ist gut, Gemeinschaft mit anderen Christen zu haben, weil man sich aneinander orientieren kann, sich aufbauen und auch mal ermahnen kann. Aber wenn Christentum nur aus Pflichterfüllung bestehen würde, hätte ich nichts mit Gott zu tun.“
Ratlos schaut sie mich an. „Aber … das wird doch immer so vermittelt?!“
„Oft. Leider.“
„Aber wie ist Miloš dann drauf aufmerksam geworden? Ich mein … also … besonders einladend ist das nicht, was man so vom Christsein hört.“
Wie soll ich das am besten erklären?
Merle interpretiert mein Zögern falsch. „Wenn mich das wegen Miloš nichts angeht, dann frag ich ihn selber. Allerdings wäre das praktischer, wenn du es mir erzählst, weil … wir sind noch nicht in dem Stadium mit den intensiven Gesprächen angekommen, wenn du verstehst, was ich meine.“
„Das verstehe ich sehr gut. Darum ging es nicht bei meiner Pause. Ich versuche es zusammenzufassen. Miloš hat sich recht viel bei Christen rumgetrieben, also im Rahmen der Jesus-Pop-Band und ihrer Auftritte. Und wie die Menschen so sind, waren auch immer welche dabei, die ihm mitgeteilt haben, was in seinem Leben nicht in Ordnung ist. Und was er stattdessen besser machen sollte. Alles unter dem Deckmantel: Gott will das von dir. Er war das so gewöhnt. Er hat sich zwar weiter mit den Leuten abgegeben, aber–“
„Links rein, rechts raus“, tippt sie.
„Denk ich mal“, grinse ich mit. „Er ist ja nicht der Typ, der es allen recht machen will.“
Sie kichert. „Das kann man wirklich nicht über ihn sagen.“
„Irgendwann ist ihm aber aufgefallen, dass ich, obwohl ich an denselben Gott glaube, nie so etwas zu ihm gesagt habe. Und da hat er angefangen nachzudenken. Wie kann es sein, dass zwei Parteien, die an den selben Gott glauben, so unterschiedlich sind?“
„Und das hat er dich gefragt, als ihr von Dersummeroog zurück kamt und er das Erlebnis mit dem Sonnenaufgang am Strand gehabt hatte.“
„Das Erlebnis mit dem Sonnenaufgang am Strand?“, wiederhole ich.
Jetzt interpretiert sie völlig richtig. „Davon weißt du nichts? Wieso weiß ich so was über deinen besten Freund und du nicht?“
„Ähm … keine Ahnung.“ In meinem Kopf herrscht auf einmal auch Sonnenaufgang. Deswegen war es ihm so wichtig, das kleinere Zimmer hinten raus zu bekommen! Die beiden sind sich beim Sonnenaufgang am Strand begegnet!!(206) Und deswegen wollte er unseren Urlaub verlängern, weil er zuhause keine Ruhe gehabt hätte, mich nach allem zu fragen! Als Erinnerung daran trägt er ein Foto mit Sonnenaufgang in den Dünen im Portmonee mit sich herum! Sonnenaufgänge, wohin man schaut!
„Ich weiß nicht, ob dir das klar ist, aber wenn du so begeistert vor dich hin denkst, siehst du wunderschön aus.“
Das holt mich zurück in die Gegenwart. „Na sicher ist mir das klar. Nur aus dem Grund denke ich überhaupt vor mich hin. Worum gings noch mal?“

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