8. Januar 2016

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Miloš verstaut die Sachen in seinen Hosentaschen und fängt zögernd an: „Wenn ich jemanden anzeigen will … an wen wende ich mich?“
„Da sind Sie bei mir genau richtig.“
„Gut, also … wie Sie sich vielleicht denken können, bin ich gestern überfallen worden.“
Okay, mein Job ist erledigt. „Du kommst ohne mich zurecht. Ich warte vorm Haus auf dich. Tschüss, Herr Iedema.“

Ich lehne mich an einen Baum; Wintersonnenstrahlen gibt es nämlich auch in Alkmaar.
Irgendwann humpelt Miloš aus dem Gebäude. Er guckt sich suchend um und ich gehe auf ihn zu. „Na, gute Erfahrungen gesammelt?“, frage ich.
Er nickt.
„Musst du noch mal hin wegen der Anzeige?“
„Wenn die Typen geschnappt werden und die Beweislage nicht wegen anderer Delikte schon eindeutig ist, muss ich vielleicht wieder kommen, um sie zu identifizieren.“
Den Satz muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wenn die Beweislage nicht wegen anderer Delikte eindeutig ist! Rein sprachlich müsste es ihm bei der Polizei gefallen, er mag ja so korrekte Ausdrucksweise.(204)
Miloš hat andere Gedanken. „Verrückt, dass alles gefunden wurde. Und dann auch noch so schnell! Ich hatte damit gerechnet, dass es wochenlang dauert, bis der Pass und der Führerschein neu ausgestellt sind, dass wir neue Schlösser einsetzen müssen und so weiter.“
„Ich hab letzte Nacht dafür gebetet, dass deine Sachen schnell gefunden werden.“
„Danke Jesus, danke Jeremy. Wofür hast du noch gebetet?“
„Erzähl ich dir beim nächsten Mal. Wir müssen jetzt zurück nach Hause, Merle hat uns ja dieses Bandtreffen aufs Auge gedrückt, weil du angeblich neue Lieder hast. Hast du?“
„Ja. Aber „aufs Auge gedrückt“ ist keine gute Redewendung. Nimm eine andere, du kennst genug Wörter.“
Geht das schon wieder los?!


hundertneunzehntes Kapitel

Der Empfang im Proberaum ist vorhersehbar. Lisanne und Merle reagieren ungefähr wie ich gestern Nacht, nur dass sie halt erstens Mädels und zweitens zu zweit sind und daher alles ein bisschen länger dauert.
Miloš erklärt lang und breit, was passiert ist und was wir heute unternommen haben und vor allem, dass sein Zustand jetzt viel schlimmer sein könnte! Dass es aber nicht so ist, liegt daran, dass ich ihn versorgt habe und gebetet habe und ihn mit Öl gesalbt und gesegnet habe.
Mit Öl gesalbt? Spontan will ich das richtig stellen, aber dann denke ich: Wenn es ihm hilft, soll das Olivenöl ab jetzt Salböl heißen! Ich wusste gar nicht, dass er auf so mystische Sachen steht. Ich sollte mir ein kleines Fläschchen für die besonderen Anlässe zulegen, damit ich nicht eines Tages Salböl in den Salat gebe. Das könnte zu Irritationen führen.
„Kannst du denn heute überhaupt Musik machen?“, erkundigt Merle sich.
„Herzchen. Ich kann immer“, gibt er an.
Aus Spaß will sie ihm auf den Arm boxen, aber er weicht hastig aus. „Keine gute Idee!“
„Oh Gott, entschuldige!“, macht sie erschrocken. „Das war nur so ein Automatismus, nicht böse gemeint!“
„Schon gut“, winkt er ab. „Musik machen?“
Wir sind dafür!
Er nimmt sein Instrument vom Haken und stimmt es mit wie üblich konzentriertem Blick. Kaum hat er aber die ersten Akkorde gespielt, fängt er an zu kichern.
Wir übrigen tauschen skeptische Blicke aus. Was gibt’s denn da zu lachen?
Er holt Luft und fängt von vorne an.
Wieder kommt er nicht weit.

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