21. Dezember 2015

387

„Was wollte der Bulle eigentlich?“
„Jemand hat deinen Führerschein bei ihm abgegeben.“
„Du könntest ihn alleine abholen.“
„Ist es mein Führerschein?“

Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Alkmaar.
Der Weg zum Ziel (und zum Zug) zieht sich in die Länge, weil sein Fahrrad seit gestern Mittag am Bahnhof steht und er nicht auf meinem mitfahren möchte. In unserer Straße sind wir zwar so gestartet, aber schon die kleinsten Erschütterungen hat er im Knie gespürt.
Zu Fuß brauchen wir aus demselben Grund sehr lange. Er kann das Knie nicht beugen und kaum belasten. Seiner Diagnose nach ist es nur eine schmerzhafte Prellung, die ohne ärztliche Hilfe auszukurieren ist. Ich werde ihm da nicht reinreden, denn das würde vermutlich in einem Streit enden.

In der Wachstube der – wie hat er es genannt? Dienststelle Mitte? – befinden sich zwei Beamte; eine Frau in unserem Alter und ein älterer Herr.
„Hoi. Was kann ich für euch tun?“, fragt die Frau.
„Wir sind mit Herrn Iedema verabredet“, sage ich.
„Arend, für dich”, sagt sie zu ihrem Kollegen.
Der rückt an seiner Brille, „Die Herren Kusturica und van Hoorn“, tippt er. Er ist um die Fünfzig und wirkt gütig.(203)
„Kusturica“, korrigiert Miloš die Aussprache.
Er nickt, „Kommen Sie mit mir“ und geht uns voraus in ein Bürozimmer im gleichen Flur. Dort nimmt er hinterm Schreibtisch Platz und wir davor. Er öffnet eine Schublade, entnimmt ihr Miloš’ Führerschein und reicht ihn herüber. Dann fragt er: „Fehlt Ihnen vielleicht auch noch ein Schlüsselbund?“
„Ja.“
„Wie sieht er aus?“
„Ein Ring mit einem Autoschlüssel für einen Ford, drei Türschlüsseln – zwei eckig, einer rund, einem fürs Fahrradschloss und einem Karabinerhaken. Und am zweiten Ring eine kleine rote E-Gitarre aus Metall.“
Lächelnd legt der Mann den Bund auf den Tisch. „Und auch noch ein Portmonee?“
Wer ihn nicht kennt, sieht keine Regung, aber ich spüre, dass er aufatmet. Hurra, die Rechnung geht auf!
„Ja. Schwarzes Glattleder, ziemlich alt, und im Sichtfensterchen hoffentlich ein Foto mit einem Sonnenaufgang in den Dünen.“
Er gibt auch dieses Teil ab, dazu den Pass und den Bibliotheksausweis.
„Fehlt noch was?“
„Ja, achtzig Euro und ein paar Münzen, die Monatskarte und mein Mobiltelefon, aber das liegt wohl nicht draußen herum.“
Der Polizist nickt. „Nachdem ich Sie wegen des Führerscheins angerufen hatte, dauerte es keine zehn Minuten, bis eine alte Frau Ihren Pass brachte, dann kamen zwei kleine Jungs, die den Schlüsselbund gefunden hatten und danach eine andere Frau, die das Portmonee abgegeben hat. Zum Schluss ein junger Mann, der Ihre Büchereikarte brachte. Alles ist an unterschiedlichen Orten im Zentrum gefunden worden. So was ist mir in meiner ganzen Dienstzeit noch nicht passiert.“

Keine Kommentare: