Merle nickt. „Vor allem hoffe ich, dass er beim Kellnern die Finger vom Alkohol lässt. Es täte mir furchtbar leid, wenn er schwach würde. Je nach dem, welche Veranstaltung es ist, steht er den ganzen Abend an der Bar und mixt Cocktails und so. Also, bei den Cocktails wird Fergus ihm erst eine Einweisung geben wollen – das macht er immer so, sagt er, damit alle dieselben Mengenverständnisse haben – aber wenn ich mir vorstelle, ich müsste den ganzen Abend Wein ausgeben und dürfte selber keinen Tropfen anrühren … Schwierig.“
„Wie hast du das gemacht, als du noch im Restaurant warst?“
„Da bin ich ja die meiste Zeit nur zwischen der Küche und den Tischen hin und her gerannt. Irgendwann, wenn ich nicht mehr so wütend auf den Scheißkerl bin, gehen wir da mal essen. Armand versteht sein Handwerk.“
„Armand ist der Koch?“, frage ich nach und sie nickt, „Am besten essen wir da den ganzen Abend seine Gemüsesuppen und dazu frisch gebackene Reiswaffeln. Himmlisch, sag ich dir.“
„Reiswaffeln? Wie macht er die?“
„Ich glaube, er hat den Reis gemahlen und dann–“
„Merle“, unterbreche ich sie lachend, „Natürlich hat er ihn gemahlen, sonst wird kein Mehl draus. Welche Reissorte hat er genommen? Damit fängt das Geheimnis an.“
„Ach so. Wir gehen hin und dann fragst du ihn selbst.“
„So langsam muss ich mir eine Liste machen, welchen Koch ich wo besuchen will und nach welchem Rezept fragen. Dazu muss ich ja auch noch bei jedem einen Überredungsversuch bereit halten, falls er nicht sofort meiner Meinung ist und sein Wissen teilen will.“
„Überredungsversuch?“, lacht sie. „Okay, von mir erfährt Toni kein Sterbenswörtchen.“
Nebenbei schaue ich auf die Uhr. „Sag mal, wie lange dauert diese Firmenfeier eigentlich? Die sollte nachmittags anfangen, um drei oder so. Ist das normal?“
„Firmenfeiern können ziemlich lange dauern.“ Trotzdem holt sie das Mobiltelefon aus der Handtasche. Nach ein paar Sekunden weiß sie: „Nur die Mailbox. Aber er sieht ja, dass ich angerufen habe, er wird sich melden. Vielleicht sitzen sie noch in der Firma beisammen und essen was. Wenn du stundenlang mit Essen zu tun gehabt hast, aber selber keine Zeit hast, was zu essen, brauchst du hinterher was. In Ruhe.“
„Ist das üblich, dass alle zusammen essen, also auch die Aushilfen?“
„Bei Toni schon. Ihm ist es wichtig, dass sie ein gutes Team sind. Sie müssen sich aufeinander verlassen können. Und wer zusammen arbeitet, soll auch zusammen essen.“
„Deswegen bist du zu ihm gewechselt.“
„Auch. Vor allem aber, weil er mich wollte. Ungefähr ab seinem dritten Besuch im Restaurant hat er mich immer wieder gefragt, wann ich bei ihm anfange. Ich könnte ja viel mehr als nur Teller tragen. Na ja, wenn man so umworben wird und beim eigenen Chef keinen Rückhalt hat – da geht man halt.“
„Ich freu mich für dich, dass es dir jetzt besser geht auf der Arbeit.“
„Der Pisser hätte den Gast wenigstens zurechtweisen können. Aber er hat sich bloß für mich entschuldigt.“
„Verzeih ihm das. Er wusste nicht, was er an dir hat.“
„Na, mal sehen“, brummt sie.
Eine Stille entsteht und ich überlege, ob ich ihr ein erneutes Gebet zum Thema anbieten soll, als sie fragt: „Warum habt ihr kein Sofa? Wollt ihr keins?“
„Doch, langfristig schon. Im Moment ist nur kein Geld da.“
„Aha“, macht sie, nimmt erneut das Handy und fängt kurz darauf an zu sprechen: „Hallo, Experte für alles Technische! Störe ich? … Ach, du bist so charmant. … Ja, weshalb ich anrufe: du hast gesagt, dass deine Schwester mit ihrem Freund zusammenzieht, da wollte ich mal fragen, ob sie vielleicht ein Sofa zuviel hat? Ein guter Freund aus meiner Band … genau, der Schlagzeuger, der mit dem Bassisten zusammen gezogen ist. … Ach so … warte mal.“ An mich geht die Frage: „Willst du ein helles oder lieber ein dunkles?“
„Wie viele Sofas hat er denn da rumstehen?“
„Nur sein eigenes und das gibt er nicht her. Sag mal deine Wünsche.“
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