21. Dezember 2015

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„Ich hab da keine präzisen Vorstellungen. Hauptsache, es ist nicht pink oder so.“
„Klar.“ Bevor sie weiter spricht, hört sie erst zu, was am gegenseitigen Ende der Leitung gesagt wird. Dann: „Erdtöne, grau oder als maximalen Farberguss grün. … Moment.“ Und wieder an mich: „Willst du drauf pennen können?“
„Wäre praktisch. Es muss kein Schlafsofa sein, aber es müsste schon lang genug sein, dass ich für einen Mittagsschlaf drauf passe.“
Merle schätzt mich auf „eins neunzig“ und schließt: „Danke, du bist ein Schatz! Tschüss!“ Sie steckt das Handy weg und teilt mit: „Er hört sich um. In seiner Verwandtschaft und seinem Freundeskreis ist gerade das große Umziehen ausgebrochen.“
„Cool, danke. Und mit wem hast du nun geredet?“
„Fergus.“
„Ah, noch einer, den ich dringend treffen muss.“

Eigentlich war der Plan gewesen, einen fliegenden Wechsel zwischen Merle und Miloš zu machen, also dass sie geht, wenn er heimkommt, aber irgendwann gähnt sie immer mehr und verabschiedet sich. „Sag ihm liebe Grüße“, trägt sie mir auf.
„Mach ich.“ An der Tür schiebe ich noch nach: „War schön mit dir.“
„Ganz meinerseits. Bis morgen Nachmittag.“
„Ja. Schlaf gut.“

Ich schaffe Ordnung in der Küche, aber als es Mitternacht ist, gebe ich die Warterei auf.


hundertachtzehntes Kapitel

Ich bin gerade im Bett angekommen, als ich ihn an der Hintertür hantieren höre. Scheint so, dass die mal wieder Zicken macht. Das Schloss klemmt bei länger andauerndem feuchtem Wetter(200), und ich weiß noch nicht, wie ich das beheben kann. Ich springe aus dem Bett und rufe schon auf der Treppe: „Warte, ich mach auf!“
Er stolpert mir entgegen und fällt in die Küche.
Manche Leute nennen mich praktisch orientiert, vermutlich stehe ich deswegen jetzt nackt halb im Garten und die Terrassentür geht nicht mehr zu. Gut, dass ich nicht auch noch Licht angemacht hatte! Eilig ziehe ich seine Beine beiseite, um die Tür schließen zu können. „Bist du besoffen?“
„Nein, halbtot“, ächzt er und versucht auf die Füße zu kommen.
Jetzt sehe ich es auch. Sein Gesicht ist blutüberströmt, das Hemd ist nicht mehr zu retten, am Jackett ist ein Ärmel halb abgerissen! „Was ist passiert?“
„Bin überfallen worden. Zieh was an.“
Das tue ich in Rekordzeit und düse wieder runter. Miloš hat es inzwischen bis auf den Klodeckel geschafft und bei Beleuchtung sieht er noch schlimmer aus. „Soll ich dich ins Krankenhaus bringen?“
„Nein.“
„Sondern?“
Er holt Luft und verzieht vor Schmerzen das Gesicht. „Hilf mir beim Ausziehen und so und dann ein heißes Körnerkissen und Körperteile segnen und so.“
Du liebe Zeit. Mit dem ist heute nichts mehr zu gewinnen.
Als erstes lege ich alle in unserem Haushalt vorhandenen Körnerkissen in den Backofen. Im Bad ziehe ich ihm die Reste der schwarzen Jacke aus. Am Rücken hat er auch eine blutende Wunde davon getragen.
„Wie viele waren es?“
„Drei und ein Messer.“ Mit zitternden Händen fummelt er an den Hemdknöpfen herum und kriegt sie nicht auf. Moment, denke ich gerade, er ist doch der Feinmotoriker unter uns, als er mit einem serbischen Fluch die Knopfleiste packt und kräftig dran reißt. Kleine Knöpfe springen durchs Bad und wie zur Entschuldigung murmelt er: „Es war eh’ kaputt.“

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