21. Dezember 2015

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Miloš grinst übers ganze Gesicht. „Ich.“
Ertappt. Trotzdem will ich das noch ein bisschen auf Abstand halten.(195) „Zurück zum Thema Theodorus“, dränge ich, und mir ist egal, ob er nachher gleich noch einmal damit anfängt. „Wie wärs, wenn du ihn kennen lernst? Und ich versteh gar nicht, was dein Problem ist. Theodorus gehört auch nicht zur Familie, hat ganz sicher keine Geschenke und … was war noch dein dritter Punkt?“
„Ts“, macht er theatralisch. „Im Februar wird das alles genau andersrum ablaufen. Dann wird es meine Verwandtschaft sein und du wirst niemanden kennen und dann werde ich dich auch so abspeisen. Dann wirst du sehen, wie toll das ist.“
„Ja, das wird ganz großartig“, stimme ich ein, „da kommt ja noch dazu, dass du sofort alle Leute ansprichst und keine Angst vor neuen Bekanntschaften hast … und bei mir sieht das ein bisschen anders aus. Aber weißt du, das ist mir egal. Wenn du dich in Peckovar nicht um mich kümmerst, werde ich meine Deutschkenntnisse auspacken, das ist ja anscheinend die Sprache, die ich dir voraus habe, und mich mit deiner werten Kusine Slobodanka vergnügen.“ Abrupt stehe ich auf. „So, ich gehe jetzt duschen. Du kannst dir in der Zeit überlegen, was du anziehen willst. Es muss ja nicht sein, dass wir wegen dir zu spät kommen.“
„Ja, Schatz“, grinst Mister Pünktlich mich an.

Miloš wird nicht viel Zeit vorm Kleiderschrank verbracht haben, denn er trägt – was sonst – den Anzug und ein weißes Hemd und dazu die blaugraue Krawatte. Er hat noch eine, die schwarz mit dünnen roten Schrägstreifen ist, aber seit Mommi – wer sonst – ihm gesagt hat, dass ihm die bläuliche besser steht, weil sie seine Augenfarbe betont, trägt er nur noch die.
Bis vor kurzem habe ich solche Klamotten nur als unbequem wahrgenommen. Pieter hat zu zwei Vorstellungsgesprächen in Deutschland einen Anzug getragen (ich habe ihn begleitet, deswegen weiß ich das) und die erste Tat, wenn er das Gespräch hinter sich gehabt hat, war immer die gleiche: Jacke ausziehen, Schlips lösen, Kragen aufknöpfen. Er fühlte sich in den Sachen eingesperrt.
Aber vielleicht gilt das nicht für alle Jacketts?
Neulich ist mir eine Sache passiert, die mich überrascht, ja fast schockiert hat.
Das kam so: Ich saß im Pausenraum und da ist mir ein Modekatalog in die Finger geraten. Ich habe eine Weile damit zugebracht, die Herrenmode zu betrachten und dabei Unterschiede zwischen den heute aktuellen Schnitten festgestellt. Ohne Miloš’ Hinweis, dass sein Anzug altmodisch ist, wäre mir das nie aufgefallen. Und auf einmal kam mir der Gedanke: Was könnte so ein Anzug mit mir machen? Und vor allem mit meiner Wirkung auf andere? Ich müsste es mal ausprobieren!
Mein Kumpel sieht nämlich total schnieke aus in seinem alten abgewetzten Jackett. Und außerdem trage ich ja gerne Hemden – das senkt die Hemmschwelle.(196) Ein weißes Hemd fühlt sich kaum anders an als ein grün kariertes.

Mommi begrüßt uns an der Tür. „Hallo meine lieben Jungens! Frohe Weihnachten!“
Ich schließe sie in die Arme. „Danke für die Einladung, meine liebe Mommi!“
„Bedank dich beim Abschied“, lacht sie, „noch hast du ja nichts gekriegt.“
Das ist ein alter Spaß zwischen uns, angeblich soll ich damit angefangen haben, aber wie immer bei diesen Geschichten kann ich mich an nichts erinnern.
„Ist Theodorus schon da?“
„Nein, noch nicht. Ihr seid früh dran.“
„Na, rate, an wem das liegt.“
„Ich rate, dass es am Miloš liegt“, sagt sie und drückt ihn an sich. „Beeinflusst euch auch im nächsten Jahr so positiv, ja? Ich schau euch so gerne dabei zu.“

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