21. Dezember 2015

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Nach dem Telefonat fragt er: „Warum hat das nicht geklappt? Da steht doch, „ich kann alles“. Ich dachte, ich könnte jetzt auch so kochen wie du.“ Er fischt ein Eierviertel aus der Suppe, streut Salz darauf und isst es auf.
„Greift es deinen Glauben an?“
Er winkt ab und nimmt noch eins, „Nein. Aber es scheint ja so zu sein, dass ich etwas falsch verstanden habe. Was war der Fehler?“
„Vermutlich hat es mit den Gaben zu tun. Jeder Mensch hat seine spezielle Mischung an Gaben bekommen, einige sind einfach so da, einige muss man trainieren und zusammen mit dem Talent, das Gott einem gegeben hat, bringt man es weit auf dem Gebiet.“
„Ja. Definitiv. So wie du kochst, hat Gott da auf jeden Fall seine Finger mit im Spiel.“
„Danke. Du kannst andere Dinge besser. Musik machen. Lieder schreiben.“
„Du kannst auch Musik machen und Lieder schreiben.“
„Es ist ja nicht gesagt, dass deine Gaben nicht mit meinen übereinstimmen dürfen. Fremdsprachen dagegen sind dein Fachgebiet. Und Autofahren.“
„Das klingt logisch. Was hast du übrigens Freitagabend mit mir gemacht?“
„Ich hab die Hand auf dein Herz gelegt und Gott gebeten, dass er dich heil macht. Für alles weitere bin ich nicht verantwortlich.“
Die verzückte Abwesenheit breitet sich schon wieder auf seinem Gesicht aus.
„Wo bist du denn gewesen?“, unterbreche ich, denn er ist nicht der einzige, der so etwas zum ersten Mal erlebt.
„Keine Ahnung.“
„Kannst du dich an was erinnern?“
„Ja. Mitten in der Nacht bin ich wach geworden, weil ich zum Klo musste. Ich lag hier unten auf den Stuhlkissen und eine Decke war auf mir.“
„Na ja, dafür bin ich auch verantwortlich“, weite ich mein Teilgeständnis aus.
„Das dachte ich mir schon. Irgendwie bin ich zum Klo gekommen, aber frag mich nicht, was mir dann eingefallen ist. Am Morgen lag ich jedenfalls im Bett. Nackt. Und überall waren Herzchen auf mir, also gemalte. Mit rotem Filzstift.“
„Überall?“, unterbreche ich ungläubig.
„Überall“, bestätigt er und zeigt mir ein Stück Bauch. „Gestern haben sie mich nicht gestört, aber seit heute früh wasche ich daran herum.“
„Die hat Gott gemalt“, behaupte ich überzeugend und wundere mich darüber, dass sie mir bisher nicht aufgefallen sind.(192) „Jedes Stück von dir, in das er besonders verknallt ist, hat er so verziert.“
„Was erklären könnte, wo dieser Stift herkam. Ich besitze nämlich keine Filzstifte, und der, den ich vorm Bett gefunden habe, der ist leer.“
Wie süß. Eine ganze Filzstiftmine hat er auf Miloš vermalt. „Mit dem Erinnern meinte ich Erinnerungen an den Ort, wo du warst. Wie sah es da aus? Hast du Menschen getroffen oder Engel gesehen oder warst du bei Gott?“
Er denkt angestrengt nach, gibt aber auf: „Ich kann es nicht beschreiben. Auch wenn Fremdsprachen angeblich mein Fachgebiet sind.“
Fremdsprachen! Das Thema hatten wir doch schon mal! „Ist es die falsche Sprache? Werden wir neue Lieder kriegen?“
Jetzt lacht er. „Bestimmt!“
„Willst du direkt in den Proberaum fahren?“
„Nein, das hat Zeit bis Dienstag. Darf ich zugucken, wie du den Tresen baust?“
„Na klar.“
Vorher kommt aber unser Mittagessen.

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