21. Dezember 2015

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„Ich weiß“, lächelt sie. „Es wäre nur so einfach gewesen, wenn du mir die Lösung gleich mitgeliefert hättest.“
Soll ich es doch sagen? Nach kurzem inneren Kampf entscheide ich mich dagegen. „Ich glaube, für dich gibt es auch zwei Möglichkeiten. Erstens, du denkst alleine vor dich hin, oder zweitens, du suchst dir professionelle Hilfe. Du nimmst deine Vorgeschichte und deine Erfahrungen in jede neue Beziehung mit, und nach jedem Scheitern ist der Frust größer. Das muss ja nicht so sein. Darüber nachdenken solltest du aber auf jeden Fall.“
„Ja. Danke. Bringst du mich noch zum Zug?“
„Gerne.“

Nachdem ich sie am Bahnhof verabschiedet habe, gehe ich nachdenklich nach Hause.
Ist es vielleicht so, dass du Helena gerade durch mich zu dir holst?, frage ich Jesus. Nach der langen Zeit? Sechs Jahre ist sie mit mir zusammen und es tut sich nichts, und jetzt, mehr als ein Jahr danach, kommt sie und will Gebet und Segen und Rat von mir? Wie passt denn das zusammen?
Manche Dinge brauchen ein bisschen länger, sagt er. Das weißt du doch selber.

Kaum bin ich zurück, baut Miloš sich vor mir auf. Er ist zwar ein gutes Stück kleiner als ich, aber das gleicht er mit Entschlossenheit aus. In der Zwischenzeit hat er das weiße Hemd ausgezogen und steht im T-Shirt vor mir, die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt und immer noch den finsteren Blick in den Augen. „Was wollte sie hier?“, will er wissen.
Wie er so wirkt, steht er mächtig unter Druck.
Weil ich nichts sage, schießt er die nächste Frage ab: „Was habt ihr über mich geredet?“
„Es ging nur am Rande um dich. Sie war hier, weil sie meinen Rat wollte.“ Ich versuche an ihm vorbei ins Haus zu gelangen, aber er verstellt mir den Weg.
„Welchen Rat wozu?“
„Das geht dich nichts an.“
„Wenn es um mich ging, geht es mich doch was an.“
„Miloš: Es geht dich nichts an“, wiederhole ich. „Lass mich endlich rein.“
Immerhin das gelingt jetzt. Drinnen frage ich sanft: „Was ist los mit dir und Helena? Möchtest du mir vielleicht auch noch was erzählen?“
Er hasst es, wenn ich diesen Tonfall drauf habe. Entsprechend aggressiv kommt seine Gegenfrage: „Möchtest du mir auch noch einen Rat geben?“
Aber da müssen wir jetzt durch, die Gelegenheit ist gut – es ist die erste seit Wochen. „Ja, das würde ich sehr gerne tun. Die Frage ist nur, ob du den Rat annimmst. Wenn du ihn nicht annehmen willst, wäre es verschwendete Luft, dir was zu sagen.“
„Willst du mir sagen, dass es ein Fehler war, mit ihr Schluss zu machen, und dass sie wegen mir ein gebrochenes Herz hat?“
„Glaubst du, dass ich dir so was sagen will?“
Er schnauft aus. „Nein. Entschuldige. Sag mir deinen Rat.“
„Wenn du willst, dass Gott mit dem Jahr, das du als Single verbringst, was sinnvolles anstellen kann, musst du sie loslassen. Ich weiß, dass du sie immer noch liebst. Und ich weiß, dass du dir selber sehr weh getan hast, als du mit ihr Schluss gemacht hast. Solange du das aber nicht loslässt, kann Gott das nicht heil machen.“
„Und wie soll das gehen? Ich habe schon ganz oft gesagt, dass ich sie nicht mehr lieben will. Aber es klappt nicht. Ich muss sie nur sehen … oder riechen … oder eine Person treffen, die das selbe Parfüm benutzt, die sich auch so wie sie durch die Haare streicht, oder nur eine, die so die Nase rümpft wie sie, und alles ist wieder da.“
„Und warum sagst du die ganze Zeit nichts dazu? Du hast dir doch im Coec auch Hilfe gesucht, als du dich am liebsten besoffen hättest! Warum suchst du dir hierbei keinen, der für dich betet? Glaubst du, du musst alles alleine schaffen?“(190)

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