21. Dezember 2015

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„An dem Wochenende, das er bei mir verbringen wollte, da sind wir erst tanzen gewesen und es war alles gut, dann haben wir morgens beim Frühstücken irgendwie die Kurve nicht gekriegt, haben uns schlimm in die Haare gekriegt … mittendrin hab ich gedacht, was machst du, wenn ihm jetzt die Hand ausrutscht? Er ist so wahnsinnig schnell und stark … und er war furchtbar wütend. Dann haben wir uns versöhnt … im Bett … da dachte ich dann, wir sind wieder in der Spur, weil wir auch körperlich und vom Rhythmus her gut zusammen gepasst haben. Danach ging der Krach wieder los und dann hat er seine Sachen gepackt und ist gegangen. Einfach so, mittendrin.“
„Wodurch ging der Krach wieder los?“
Sie stützt den Kopf auf. „Ich bin auf die großartige Idee gekommen, dass es helfen könnte, wenn ich ihn vor die Wahl stelle. Entweder er liebt mich, dann darf ich auch mal einen Gedanken gegen dich äußern, oder eben nicht. Mir war nicht klar, dass es ihm so ernst ist mit dir. Das wusstest du aber, oder?“
„Ich habe mir schon so was gedacht. Der Gedanke, der mir eben gekommen ist, ist der, dass du in die falsche Richtung guckst. Du suchst die Gemeinsamkeiten beim Gegenüber. Zugleich weißt du auch, dass es da keine gibt. Trotzdem suchst du weiter. Aber es hat nichts mit Miloš und den Männern vor ihm zu tun. Du suchst an der falschen Stelle.“
„Was meinst du damit?“
Weil ich nicht antworte, denkt sie ein paar Minuten nach. „Wenn also eine Beziehung immer aus zwei Seiten besteht und es nichts mit dem Gegenüber zu tun hat, dann wird es wohl an mir liegen. Ist es das, was du sagen willst?“
„Zumindest solltest du es in Betracht ziehen.“
Hinterm Haus wird ein Fahrrad abgestellt, die Terrassentür geht auf und wieder zu und eine Sekunde später steht Miloš bei uns am Tisch. „Hoi“, macht er frostig, was nichts mit den Temperaturen des Dezemberabends zu tun hat.
Ich erwidere den Gruß und Helena entschlüpft ein dünnes „Hallo.“
„Was macht ihr hier?“
„Wonach sieht es aus?“, gebe ich die Frage zurück. Ich weiß nicht, wie viel vom Grund ihres Besuchs sie preisgeben will.
„Abendessen“, tippt er.
„Ja“, geht sie darauf ein, „ich war zufällig in der Stadt.“
„Zufällig.“
„Es gibt zwei Möglichkeiten“, versuche ich die schon jetzt vorhandene Spannung einzudämmen. Mit beiden in einem Haus wird es kein Gespräch geben, aber ich kann ihn ja kaum wegschicken. „Erstens, Helena und ich führen unser Gespräch woanders weiter, zweitens–“
„Erstens“, unterbricht er.
„Gut. Helena, nimm deine Sachen mit, wir werden nicht hierher zurückkehren.“

Vorm Haus klagt sie: „Es tut so weh, Jeremy. Ich liebe ihn immer noch und will ihn zurück haben, und er ist so kalt. Ich glaube, er hasst mich.“
Ich gehe nicht darauf ein, weil ich es besser weiß.
Wir setzen uns in die nächste Kneipe und bestellen Kaffee, damit keiner glaubt, wir suchten nur eine Wärmestube. Nach kurzer Zeit sind wir wieder bei unserem Gespräch.
„Du meinst also, die Gründe fürs Beziehungschaos liegen bei mir.“
„Generell will ich das nicht sagen, dafür haben wir in den letzten anderthalb Jahren zu wenig Zeit miteinander verbracht. Aber wenn du über die Beziehungen guckst und wissen willst, warum sie gescheitert sind, gehe ich davon aus, dass es nicht ausschließlich an den Männern gelegen haben kann, denn du sagst ja auch, dass sie sehr unterschiedlich sind.“
„Und was ist in mir, das die Beziehungen zum Scheitern bringt?“
Vielleicht deine Art, die Grenzen anderer Menschen zu missachten?, fällt mir ein. Aber das wäre meine Meinung, und die gehört hier nicht hin. „Wie soll ich das wissen, Helena? Du sagst, es betrifft den Zeitraum nach uns. Da war ich nicht dabei.“

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