16. Dezember 2015

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„Zwei Meter hoch und anderthalb Meter breit? Wofür brauchst du denn so ein großes Bücherregal? Etwa für die Kochbücher? Ist das nicht ein bisschen überdimensioniert?“
„Da sollen ja nicht nur meine Kochbücher rein, sondern auch Miloš’ Bücher. Noch sind es nicht viele, aber mir schwant, dass es sehr bald mehr werden.“
„Er liest?“
„Leidenschaftlich. Wieso weißt du das nicht, ihr wart zusammen!“
Sie rechtfertigt sich sofort. „Wir waren acht Tage zusammen und in der Zeit ging es nicht um Bücher.“
Au weia. Wenn sie jetzt, fast vier Monate nach der Beziehung, noch so empfindlich auf eine flapsige Bemerkung reagiert – wie mag es bei meinem mittlerweile leicht beziehungsgeschädigten Freund aussehen?
„Der Tresen soll hier stehen“, befasse ich mich weiter mit der Besichtigung, „auf die Innenseite kommen Fächer fürs Besteck und Gläser und was man so hat, vielleicht stellen wir auch Getränke hinein.“
„Bau das Teil groß genug, dass du einen Kühlschrank rein kriegst für deine obligatorischen Bierflaschen“, rät sie. „Bier und Tresen, das gehört doch zusammen.“
Sag ich’s ihr? Ach nein, heute nicht. „Und der Tisch schließt sich dann hier an. So ungefähr soll er mal aussehen.“ Ich habe wieder eine Skizze zur Hand.
„Oh, der wird toll. Dann kannst du endlich viele Leute zum Essen einladen und musst nicht immer erst einen Tisch ausleihen.“
„Richtig. Wenn wir eine Einweihungsparty machen, bist du herzlich eingeladen.“
„Lieb von dir, aber dein Mitbewohner schmeißt mich raus, wenn ich aufkreuze.“
„Warum, wenn ich fragen darf?“
„Auch das ist eine sehr lange Geschichte, die ich dir an einem anderen Tag erzählen kann“, kontert sie grinsend. „Zeig mir den Rest vom Haus.“
„Okay.“ Ich lasse sie voraus in den Flur und bis ins Bad gehen, dann steigen wir treppauf. Die rechte Tür mache ich auf und knipse Licht an. „Mein Zimmer“, präsentiere ich.
„Wie immer etwas unordentlich, aber so bin ich es von dir gewöhnt.“ Helena geht zum Fenster und schaut heraus. „Kannst du von hier aus die Kaap Hoorn sehen?“
„Nein, da ist der Knick in der Gracht. Aber wir haben noch nie so nah nebeneinander gewohnt, die Kaap Hoorn und ich.“
„Willst du hier oben auch noch was bauen?“
„Nein. Die Fächer sind von mir, das reicht“, zur Demonstration öffne ich eins.
„Du hast die gebaut? Sogar tief genug für eine Kleiderstange! Jeremy, du bist ein Genie!“
„Danke.“
„Was war denn da vorher?“
„Nichts. Die Vormieter haben dort zwar Sachen gelagert, aber das war alles offen. Als ich das erste Mal hier oben stand, als die Zimmer leer waren, ist mir die Idee gekommen.“
„Ja, es wäre sonst ziemlich viel nicht nutzbare Fläche gewesen und für richtige Schränke ist ja kein Platz außer als Raumteiler mittendrin.“
An solchen übereinstimmenden Kleinigkeiten kann man ahnen, warum wir sechs Jahre lang ein gutes Team waren! Zurück auf dem Treppenabsatz will sie auch in das andere Zimmer schauen. „Finger weg“, sage ich. „Da wohnt der Miloš, deswegen bleibt die Tür zu!“
„Ist er eigentlich auch so unordentlich wie du?“
„Im Gegenteil. Äußerst akkurat. Der Kerl ist ein Uhrwerk.“
„Krass, dass ihr so unterschiedlich seid. Ich dachte, ihr wärt euch ähnlich.“
„Sind wir auch. Aber nur zur Hälfte. Der Rest sind Unterschiede.“
Als wir wieder unten angekommen sind, sind die Nudeln heiß und wir lassen uns zum Essen nieder. Das wird jetzt aber auch wirklich Zeit, denn es ist schon – huch, zehn Uhr! Heute wird nichts mehr gebaut.
„Warum schmeißt Miloš dich raus, wenn du zur Einweihungsparty kommst? Und in dem Zusammenhang fällt mir ein: Wenn du davon ausgehst, dass er dich rausschmeißt, warum bist du dann heute hierher gekommen?“
„Falls du dich erinnerst, habe ich mich beim Telefonieren erkundigt, ob er zuhause ist.“
„Dunkel, aber ich erinnere mich. Und noch eine Frage: weshalb bist du hier? Es ging ja nicht drum, mit mir Nudeln zu essen oder das Haus anzugucken, vor allem, da du gar nicht wusstest, dass wir umgezogen sind.“

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