16. Dezember 2015

365

hundertdreizehntes Kapitel

Mein Plan für das restliche Jahr sieht so aus: Ich will unseren Tisch, den Tresen und das Bücherregal bauen. Wenn das nächste Mal viel Geld da ist, können wir uns Stühle kaufen, bis dahin muss es mit den beiden Klappstühlen sowie Mommis Gartenmöbeln gehen.
Heute ist das Holz angekommen, das ich über den Lieferanten der Schule bestellt habe. Nach meinem frühen Freitags-Feierabend verziehe ich mich in den Werkraum und erledige alle Zuschnitte und sonstigen Arbeiten, die ich zuhause nicht tun kann. Weil Miloš in der Mittagspause nicht da war und ich ihn auch auf dem Schulgelände nicht gesehen habe, rufe ich spätnachmittags bei uns an. Er muss mir helfen, die Bretter nach Hause zu transportieren. Ich habe zwar eine kleine Karre, aber auch damit geht es zu zweit besser.
Niemand hebt ab. Ich wähle die Handynummer, die ich praktischerweise auswendig gelernt habe und irgendwann erhört er tatsächlich mein Bimmeln.
Bevor ich auch nur eine Silbe sagen kann, informiert er: „Ich rufe gleich zurück“ und hat schon wieder aufgelegt.
Ähm!
Es dauert fünf Minuten, dann klingelt das Telefon hier im Werkraum. „Entschuldige, dass ich dich so abgewürgt habe“, bittet mein stets höflicher Mitbewohner. „Es war nur gerade sehr ungünstig. Weshalb rufst du an?“
„Du müsstest mal in die Schule kommen und mir beim Schleppen helfen.“
„Ich bin nicht in Zuyderkerk, das hatte ich dir doch geschrieben?“
„Aha. Ich war noch nicht zuhause. Unser Möbelholz ist heute angekommen.“
„Mist. Also, ich bin nicht in der Stadt. Entweder du wartest bis morgen Mittag oder du musst jemand anderes fragen.“
„Wo bist du denn? Und was tust du da?“
„Merle hat heute Vormittag angerufen, dass ein Catering ansteht und Herr Blaakmans kurzfristig noch einen Kellner sucht, weil jemand krank geworden ist.“
„Wer ist denn Herr Blaakmans?“
„Toni. Ich kann ihn aber nicht, wenn ich frei habe, Toni nennen und bei der Arbeit Herr Blaakmans, deswegen sage ich nur noch Herr Blaakmans, wenn ich von ihm rede. So verspreche ich mich nicht eines Tages auf unangemessene Weise. Jedenfalls bin ich nach dem Telefonat nach Hause gedüst, habe mich umgezogen, bin nach Alkmaar gefahren, habe mich gegen drei andere durchgesetzt … Kleider machen eben doch Leute, sogar hier in den Niederlanden … bin zurück nach Zuyderkerk gefahren, habe die Kinder nach Hause gebracht und bin danach wieder zu der Firma gefahren, weil noch Einzelheiten zu klären waren.“
„Ganz schön viel Hin und Her für einen Tag!“
„Ach, es ging. Merle hat zwischendurch etwas zu Essen für mich organisiert. Sehr lecker. Vielleicht fragst du sie mal, wie es hieß? Dann könntest du es nachkochen.“
„Frag sie bitte selbst, wie das hieß, was du gegessen hast. Im Zweifelsfall lass sie es aufschreiben. Was denkst du, wie lange wird das heute bei dir dauern?“
„Keine Ahnung. Vielleicht könntest du morgen früh nicht unter meinem Bett singen? Ich kann dir ja einen Zettel hinlegen, wann ich heimgekommen bin.“(188)
„Wann geht es denn los mit dem Catering?“
„Um acht. Eine Vernissage hier in der Stadt.“
„Hoffentlich macht der Künstler moderne Kunst, dann kannst du mitreden!“, blödele ich.
„Ich bin aber nicht zum Mitreden gebucht, sondern zum Getränke reichen und das Büffet in Ordnung halten. Und bis das losgeht, mache ich mich in Merles Firma nützlich.“
„Kann nie schaden, wenn man in guter Erinnerung bleibt.“
„Siehst du, das habe ich mir auch gesagt.“

Weil ich niemanden erreiche, der mir helfen könnte, spanne ich mich schließlich allein vor den Karren und transportiere die Bretter in mehreren Etappen durch die Stadt; jetzt ist es trocken und ich weiß nicht, was das morgige Wetter bringt. Der Vorteil daran, wenn ich die Sachen schon jetzt zuhause habe, ist der, dass ich gleich auch mit der Montage anfangen kann. Das benötigte Befestigungsmaterial habe ich bereits da und ein paar ergänzende Werkzeuge und Kleinmaschinen lade ich bei der letzten Tour auf den Karren.
Und niemand ist im Haus, der sich über den Lärm zu später Stunde beschweren könnte! Ich habe in der alten Wohnung gerne mit meinen Nachbarn unter einem Dach gelebt, aber das hier ist eine ganz neue Wohnqualität.
Ich räume den Tisch und die vorhandenen Möbel beiseite und fange mit dem Bücherregal an. Bisher hat es nur zwei Meter in der Höhe und anderthalb in der Breite. Wenn Miloš eines Tages mehr Bücher anschleppt, werde ich ihm mehr Regal bauen, denn es ist beliebig erweiterbar. Da es an der schilfgrünen Wand steht, kann es nach links oder rechts wachsen und wird nicht mit irgendwelchen Tapetenstreifen kollidieren. Die Konstruktion stammt von mir.
Es hat wenig künstlerischen Anspruch, da es ohne Zierleisten und anderen Schnickschnack auskommt, weder Türen noch Schubladen hat, aber bei manchen Möbelstücken geht es nun mal nicht um Schönheit, sondern darum, dass sie ihren Zweck erfüllen. Vermutlich werden ja ohnehin die Bücher die Hauptperson sein, warum sollte ich dem Regal also zum Beispiel eine Rückwand verpassen?

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