16. Dezember 2015

363

Nach dem Essen rollen wir uns ins Wohnzimmer. Eine Materialschlacht setzt ein, denn jetzt gibt es Geschenke. Bald ist der Boden bedeckt mit Geschenkpapierfetzen.(187) Wir Älteren haben untereinander nichts zu schenken; nach dem ganzen Renovieren hätte ich auch gar kein Geld mehr gehabt, um noch etwas zu kaufen.
Nur Mommi hat für jeden von uns eine Kleinigkeit besorgt.
Ich bekomme ein großes Schneidebrett aus Olivenholz und das ist wunderbar, denn das letzte, das ich hatte, ist einfach so bei der Arbeit entzwei gebrochen. Olivenholz! Da denkt man doch, dass es hart genug ist, um ein paartausend Klingenkontakte auszuhalten.
Neugierig schaue ich mich nach Miloš um. Was hat er bekommen? Wo ist er überhaupt? Eben beim Essen war er noch da … als wir hier rüber gingen, auch. Alle anderen sind im Raum. Hm. Wo mag er sein? Ich warte ein paar Minuten, denn vielleicht ist er ja gerade mal für kleine Perfektionisten, aber nach ein paar weiteren Minuten schlängele ich mich aus dem familiären Wust und verlasse das Zimmer.
Von der Küche aus kommt man auf die Terrasse, womit die Gemeinsamkeiten zwischen der Haushälfte und unserem Häuschen abgehandelt sind. Die Tür steht offen, Kälte fließt in den Raum. Draußen finde ich meinen Freund. „Was machst du hier?“, will ich wissen.
„Luft holen.“
Eine typische Miloš-Auskunft. Ich versuche eine Deutung: „Willst du alleine sein?“
„Nein, bleib nur. Es ist bloß ein bisschen viel Familie auf einmal.“
„Den letzten großen Familienauflauf hattest du vermutlich bei Dragan und Dijana.“ Weil er nichts sagt, lege ich nach: „Was hat Mommi dir geschenkt?“
Er gibt mir einen gut bekannten Gegenstand. Es ist ein kleines Kreuz aus grünem Speckstein, das an einem schwarzen Lederband hängt. Es ist warm; er hat es in der Hand gehalten.
„Hat sie dir was dazu gesagt?“
„Nein. Gibt es etwas dazu zu sagen?“
„Kann gut sein, dass ich zugeguckt habe, als das Kreuz geschnitzt wurde. Popp hat solche Kreuze gemacht. Das hier ist das letzte, das Mommi noch hatte. Ich hab sie gefragt, ob ich es haben kann, aber sie hat gesagt, dass Popp es für einen Anderen geschnitzt hat.“
„Soll das heißen, er hat es für mich geschnitzt? Wie konnte er denn von mir wissen?“
Ich hebe die Schultern. „Was fragst du mich? Frag Mommi.“
„Geh schon vor, ich komme gleich.“
Rauswerfen kann er mich nicht, wir sind ja draußen, also ist das hier ein Reinwurf. Alles passiert irgendwann zum ersten Mal.

In der Küchentür stoße ich fast mit Ad zusammen, der zum Rauchen auf die Terrasse will. Seit ein paar Monaten ist er siebzehn und darf offiziell tun, was er zuvor schon zwei Jahre lang ohne elterliche Erlaubnis getan hat. Allerdings bestehen sie darauf, dass er nur draußen raucht und nicht in seinem Zimmer.
„Seit wann rauchst du denn?“, fragt er mich erstaunt.
„Gar nicht, wie kommst du drauf?“
„Ich dachte nur“, winkt er ab. „Das war so der Zeitraum für eine Kippe.“
„Wäre ich cooler für dich, wenn ich rauchen würde?“
„Du wirst nie cooler“, grunzt er und verschwindet nach draußen.
Ach, was soll’s. Ad und ich, das sind zwei Pole eines Magnets. Das wird nie zusammen funktionieren. Ich begebe mich zurück in den Kreis meiner übrigen Sippschaft.

Keine Kommentare: