„Das dachte ich auch, aber von wegen! Als Lisanne das erste Mal zu unserer Bandprobe gekommen ist, sind sie sich unten im Flur begegnet. Zoran hat sie gefragt: Was trägst du da? Und sie: ein Akkordeon. Er: Gehörst du auch zu der Band? Sie: So gut wie. Das war ihre erste Unterhaltung, hat er mir gesagt. Irgendwann haben sie angefangen, längere Sätze zu wechseln, sich zum Kaffee einzuladen, miteinander spazieren zu gehen, ins Kino, Restaurant und so weiter. Als wir im Herbst auf Dersummeroog waren, hat Bea sie zum Geburtstag eingeladen. Da hat es gefunkt zwischen ihnen. Weil sie die Freundschaft nicht aufs Spiel setzen wollten, haben sie nichts dazu gesagt. Und im Coec haben sie die Karten auf den Tisch gelegt.“
Ja, so was ist gemein. Leider fällt mir nichts ein, womit ich ihn trösten könnte.
Er seufzt tief.
Au weia. „Na los. Was hat sie noch gesagt?“, bohre ich ganz sanft nach.
„Sie werden heiraten. Im März.“
„Das geht aber schnell.“
Er nickt.
„Warum hat Zoran dir denn nichts davon gesagt?“
„Er wollte, dass ich erst mit ihr rede. Weil ich sie ja schon viel länger kenne. Und weil ich immer gesagt habe, dass sie meine beste Freundin ist. Und dass wir über alles miteinander reden können. Allerdings frage ich mich jetzt, warum sie mir davon nie vorher gesagt hat. Ich meine – es ist ja eine Sache, dass ich nichts merke, aber eine ganz andere, dass sie nie ein Wörtchen darüber verliert, dass sie einen tollen Typen kennen gelernt hat und so weiter.“
„Vielleicht hat sie gedacht, du weißt es sowieso, du bist ja immer nah dran gewesen durch die Band und die Auftritte und das alles“, vermute ich, und dabei fällt mir eine zweite Möglichkeit ein: „Oder sie erzählt ihrem echten Bruder solche Dinge auch nicht. Also, Cokko würde ich so was natürlich erzählen, aber dem ABC ganz sicher nicht.“
Er stößt die Luft aus. „Ich verstehe es nicht.“
Nach einer Weile sage ich, was ich denke: „Vielleicht ist es ganz gut, dass wir im Moment keine Auftritte haben.“ Dann macht es „klick“ in meinem Kopf. „Wolltest du wegen ihr weg? Musikbusiness, Weltkarriere und so?“
„Das war natürlich nicht der Hauptgrund. Vor allem wusste ich ja noch nichts von den beiden, als ich dir die Pläne gesagt habe. Aber ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich gar nicht darüber nachgedacht habe.“
„Und jetzt, wo du weißt, was die beiden im März vorhaben … da bist du immer noch fest entschlossen, dass die Entscheidung richtig ist?“
„Ja. Weißt du … das hängt damit zusammen, wie Gott ist. Er weiß alles. Lange bevor es geschieht. Und wenn ich davon ausgehe, dass er es gut mit mir meint und mein Bestes will, dann muss ich logischerweise auch davon ausgehen, dass er mir mit Absicht gesagt hat, dass ich ein Jahr lang Single sein soll. Weil er ja vorher schon gewusst hat, dass Lisanne nicht die Richtige für mich sein würde. Ich will das also noch einmal von vorne anfangen.“
„Noch ein weiteres ganzes Jahr lang Single sein? Bis nächsten November?“
„Nein. Jedes Projekt bekommt einen zweiten Versuch. Mit dem Alkohol ist es auch erst im zweiten Anlauf gelungen. Ich will bis September keine Beziehung.“
„Hat Gott dir das alles erklärt?“
„Nein. Zoran.“
„Zoran?! Ist der Christ?!“
„Alle Kroaten sind katholisch, wusstest du das nicht?“
„Ja, genauso wie alle Bosnier Moslems und alle Serben orthodox sind.“(184)
Er knurrt etwas.
Ich lache. „Was sagst du da über mich?“ Neulich hat er mir Klugscheißer, Nervensäge und ähnliche Freundlichkeiten auf serbisch beigebracht, damit ich weiß, was er schimpft, aber das hier klingt anders.
„Ich sage es über mich und das übersetze ich nicht. Also, ich habe keine Ahnung, wie katholisch er ist, aber wenn er nicht lebendig glauben würde, würde Lisanne ihn bestimmt nicht so schnell heiraten, was? Zumindest hätte sie es sich bei einem Nennchristen alles sehr viel länger überlegt.“
Ja, denn das erzeugt Spannungen, die niemand braucht!
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