„Ja. Wenn ich es heute nicht streiche, werde ich es nie tun. Noch haben wir das ganze Anstreicherzeug griffbereit im Haus. Kennst du das nicht, dass man Sachen immer weiter verschiebt, weil man bei der besten Gelegenheit zu faul war?“
Ohne die Miene zu verziehen sage ich: „Keine Ahnung, wovon du redest. Warte kurz.“
„Was hast du vor?“
Ich bin schon treppab unterwegs. Unten schalte ich die Sicherung aus und wieder oben entferne ich im Schein meiner Kopflampe Lichtschalter und Steckdosen von der Wand. So muss man das Plastik nicht abkleben. Dann schalte ich den Strom wieder ein.
Nach ungefähr einer Stunde bringt er den Malerbedarf zurück in den Flur, wo sich derzeit noch alles türmt, wäscht Rolle und Pinsel aus und setzt sich zu mir an den Tisch.
„Wir haben es geschafft“, schnauft er. „Wir haben in acht Tagen zwei Wohnungen renoviert, einen Zwei-Etappen-Umzug bewältigt und arbeiten waren wir auch noch. Das soll uns mal einer nachmachen.“ Er legt die Füße auf den freien Stuhl hoch.
Ich bin bloß umgezogen, aber du hast dich niedergelassen.
„Wann wirst du das Bücherregal bauen?“
„Heute nicht mehr.“
„Ach?“, schnaubt er belustigt.
„Übrigens, ich hab gesehen, das Amt für Denkmalangelegenheiten hat das Bassisten-können-alles-Denkmal wieder aufgerichtet. Die maßgebliche Begründung war: er ist der schnellste Anstreicher unter der Sonne.“
„Oh, das ist ja nett von dem Amt. Ob ich Merle wohl eines Tages überreden kann, mich auch mal zu massieren?“
„Das weiß Gott“, sage ich ehrlich.
„Was hat sie gegen mich?“
Die ganze Zeit bewegt er seinen Rücken, hin und her, was er sonst nie tut. Die Schmerzen scheinen erheblich zu sein. Deswegen kehre ich meine autoritäre Seite heraus. „Du wirst jetzt: erstens heiß duschen, und lass dir ein bisschen Zeit. Wassersparen ist dann morgen wieder dran. Zweitens schmierst du dir mit der Salbe gegen Verspannungen alles ein, was weh tut. Wenn du willst, helf ich dir dabei. Drittens wirst du den ganzen Abend ein warmes Körnerkissen auf die Schultern tun. Und zieh endlich einen Pullover an, es ist Winter! Verstanden?“
Er grinst. „Du erinnerst mich gerade kolossal an Tante Dijana.“
Toller Vergleich. „Verstanden?“, wünsche ich zu erfahren.
„Was hat sie gegen mich?“, lässt er ebenfalls nicht locker.
„Frag mich andere Fragen.“
„Aha. Du weißt es. Kannst du dafür beten, dass es besser wird?“
„Das habe ich schon getan. An dem Abend, an dem sie mir gesagt hat, woran es liegt.“
„Kann ich was dran ändern?“
„Nein.“
„Das macht es nicht leichter.“
Während er den Anweisungen Folge leistet, bereite ich uns ein Abendessen.
Als wir beim Essen sitzen, fängt er an: „Lisanne hat gestern früh am Telefon ungefähr das selbe gesagt wie du. Dass sie nicht gewusst hat, was ich für sie fühle, weil ich es nie deutlich gemacht habe. Angeblich habe ich irgendwann gesagt, dass ich gerne eine kleine Schwester wie sie gehabt hätte. Nur deshalb hat sie sich drauf eingelassen, bei mir die Sprache zu lernen. Hätte sie gewusst, dass ich verknallt in sie bin, hätte sie nicht so viel Zeit mit mir alleine verbracht. Allerdings sagt sie, dass der Tag im Coec nur beschleunigt hat, was ohnehin schon lange klar war.“
„Wie, schon lange? Die kennen sich doch erst seit September?“
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