„Prinz-Eisenherz-Comic“, lacht Cokko mit ihm. „Habt ihr denn noch viel zu tun?“
„In der alten Wohnung sind Schlafzimmer, Bad und Küche fertig. Da fehlen logischerweise noch Flur und Wohnzimmer. Und in der neuen haben wir unsere Zimmer unterm Dach und den Flur von Haustür bis zum Treppenabsatz bei uns oben. Da fehlen ebenfalls noch das Wohnzimmer, außerdem die Küche und das Bad. Mit Küche und Wohnzimmer können wir aber erst anfangen, wenn die Handwerker fertig sind, die hier die Wand umsetzen.“
„Klingt nicht besonders entspannend.“
„Da sagst du was, mich nervt es auch. Ich will endlich ankommen.“
Ankommen? Ich denk, er will Karriere machen? Wo will er denn noch ankommen, reicht nicht ein Ziel pro Person? Aber ich mich will nicht damit beschäftigen.
„Übrigens, warum rufst du an, willst du vielleicht mitmachen?“
„Ja, stell dir vor. Eben hab ich erfahren, dass am Freitag die Vorlesung „Submarine Geologie“ ausfällt, die andere ist nicht so wichtig, die kann ich schwänzen. Also könnte ich zu euch kommen und mithelfen. Ich habe zwar keine große Ahnung vom Tapezieren, aber das macht ja nichts bei euch Profis.“
„Vielleicht kommt Merle auch wieder, ich frage sie gleich. Die ist nämlich der eigentliche Profi. Dann kann sie uns beide herum kommandieren.“
„Ist sie Profi im Kommandieren?“, lacht Cokko. „Am Samstag habe ich übrigens frei, ich könnte bei euch pennen. Allerdings weiß ich nicht, wodrauf, ihr habt ja alles im Karton. Vielleicht ist bei Mommi Platz, aber die kann ich heute nicht mehr anrufen, das ist zu spät.“
„Du kannst mein Bett haben“, mische ich mich ein. „Dann schlaf ich auf der Kaap Hoorn.“
„Ach, ihr seid im Schiff?“
„Bis vor fünf Minuten waren wir noch da“, sagt Miloš, „Auf einmal ist uns eingefallen, dass es da zwar viel enger, aber auch viel gemütlicher ist. Weißt du, Heizung, Licht und ähnliche Zivilisationsgüter. Da sind wir schnell noch mal umgezogen. Auf einen Umzug mehr kommt es wirklich nicht an.“
„Bring mir bitte deinen Schlafsack mit“, sage ich, „meiner ist, rat mal, in einem Karton und ich weiß nicht, in welchem.“
„Hat dein total perfektes System etwa nicht funktioniert?“, spottet er lachend.
„Man versucht halt bei jedem Umzug, Ordnung ins Chaos zu bringen, kennst du das nicht? Manchmal klappts, manchmal klappts nicht“, weise ich die Kritik zurück.
Weil ich mich nicht jeden Tag mit Umzug, Renovieren und dem ganzen Drumherum befassen will und auch nicht kann, begebe ich mich am nächsten Tag nach der Arbeit nicht ins eine oder andere ungemütliche Zuhause, sondern erst für ein Stündlein zum Proberaum.
Eine Weile trommele ich unbehelligt vor mich hin, dann schalte ich den Computer an und höre mir unsere Aufnahmen an, vor allem die Eigenkompositionen. Bei den meisten Liedern trommele ich meinen Part, bei einigen verändere ich auch etwas. Dann kommt mir eine Idee und ich suche im CD-Regal nach einem Lied, das zu der Idee passt. Der Grundgedanke ist: Warum muss Musik kompliziert sein? Vier Akkorde, einfacher Rhythmus, minimalistischer Text in Endlosschleife – damit haben andere Bands schon große Erfolge gefeiert! Ein paar Punk-CDs höre ich in Stichproben an, aber so primitiv die Musik ist, es ist nicht das, was ich haben will. Ich suche in den früheren Musikzeitaltern, Rock’n’roll, Blues und RNB. Am ehesten kommt wohl „Hit the Road, Jack“ in Frage.
Ich spiele es mit der Gitarre nach und fange dann an, einen neuen Text dafür zu entwickeln. Den Refrain habe ich schnell fertig:
„Jezus houdt van je, vergeet het nooit, nooit, nooit!”(179)
Danach gerät mein kreativer Fluss mächtig ins Stocken. Alles was ich zusammendichte, klingt holprig, reimt sich nicht oder hat zuviele Silben bzw. zu wenige. Wo ist eigentlich der Songschreiber dieser Band, wenn man ihn braucht?
Irgendwann kommt Lisanne herein.
„Ach, was machst du denn hier?“, begrüße ich sie.
„Ich hab Zoran zur Nachtschicht gebracht–“
„So früh schon?“, unterbreche ich.
„Was heißt hier früh? Es ist halb zehn–“
„Es ist halb zehn?!“, schreie ich fast. „Ach du Scheiße!!“ Eilig raffe ich meinen Kram zusammen, fahre in die Jacke und lösche das Licht.
„Was ist denn los, wenn ich mal fragen darf?“
„Cokko wollte heute kommen zum Helfen in der alten Wohnung und ich sitz hier in aller Ruhe und tue nichts!“
„Seit wann bist du denn hier?“ Sie folgt mir die Treppe herab.
„Ich bin gleich nach der Schule gekommen! Vorhin hab ich mir hier unten was zu Essen geholt, aber ich hab mir gar nichts dabei gedacht! Oh Gott, ist das peinlich! Das sieht ja aus, als würde ich mich vor der Arbeit drücken!“ Im unteren Flur renne ich fast Steven über den Haufen, entschuldige mich flüchtig und haste aus dem Gebäude. Draußen regnet es, ich zurre meine Kapuze fest und schwinge mich aufs Rad.
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