Doch auch wenn sie sich in einer Tour auf den Arm nehmen und herumwitzeln, arbeiten sie erstaunlich produktiv zusammen. Das liegt vor allem an ihrer Arbeitsteilung. Merle gibt präzise Anweisungen und Miloš führt es aus. Sie turnt auf der Leiter herum, er kleistert die Bahnen zügig und gewissenhaft ein. Fast fühle ich mich überflüssig, aber dass ich nicht viel zu tun habe, hat auch Vorteile, denn der Schultag war anstrengend.
Mit den Anweisungen geht es weiter, Merle sagt: „Jeremy, wie wärs, wenn du statt rumzustehen mal Kuchen kaufen gehst? Kaffee habe ich noch in der Thermoskanne.“
„Richtigen Kaffee?“, will ich vorsichtig wissen.
„Natürlich. Miloš kann diese Instantplörre trinken, wir nehmen was Anständiges.“
Das klingt gut und ich verfüge mich zum Bäcker. Als ich nach ungefähr einer halben Stunde zurück bin und die Fortschritte bestaune, frage ich: „Warum kannst du so gut tapezieren?“
„Theo hat sich mal als Dienstleister selbständig gemacht. Da hat er für alte Menschen den Umzug organisiert, die Wohnung entrümpelt und renoviert, ganz wie die Leute es wollten. Als er anfing damit, war ich auch gerade arbeitslos und habe ein halbes Jahr mitgemacht. Wenn man jede Woche tapeziert, hat man irgendwann genug Routine um unnütze Bewegungen zu vermeiden.“
„Das stimmt“, sagt Miloš. „Sie hat mir ein paar Sachen gesagt, die ich falsch gemacht habe. Ich bin zwar auch zum Ziel gekommen, aber so ist es einfacher. Du solltest mitmachen, dann hast du morgen nicht mehr so viel Muskelkater.“
„Nicht mehr so viel wie du oder was?“, lacht Merle, „aber mach dir keine Hoffnungen, du kriegst keine Massage von mir.“
„Pff“, macht er und steht auf. Als er an mir vorbei geht, höre ich ihn „ich geh kacken“ murmeln, was für seine Verhältnisse ziemlich viel Umgangssprache auf einmal ist.
Sie gibt vor, davon nichts bemerkt zu haben. „So, wie sieht es aus? Wenn wir zügig weiterarbeiten, werden wir vielleicht heute noch fertig.“
Ich stehe nicht auf, sondern warte, bis nebenan der Abluftventilator losbrummt. Dann sage ich, was ich denke: „Nicht das Beziehungszeugs zwischen Lisanne, Zoran und ihm stört den Zusammenhalt in der Band, damit kann er umgehen. Er sperrt es weg, fertig ist die Kiste. Aber das hier, das kann er nicht einordnen – könnte ich übrigens auch nicht. Du rührst ja immer wieder drin rum. Entweder du hörst damit auf, oder du sagst ihm, was los ist.“
„Quatsch“, winkt sie ab, „Das ist ein Running Gag zwischen uns.“
„Ist dir vielleicht schon mal der Gedanke gekommen, dass ihm eure robusten Unterhaltungen irgendwann zum Hals raushängen könnten?“
„Das könnte er ja sagen.“
„Und du würdest es respektieren? Ich glaub nicht. Du hältst ihn die ganze Zeit auf Abstand, warum, hast du mir gesagt. Verständlich. Aber er ist nicht Eric, auch wenn er dich an ihn erinnert. Du solltest mal nach Unterschieden suchen und nicht immer bloß auf die Gemeinsamkeiten gucken.“
„Sagst du mir das jetzt, weil du Miloš’ bester Freund bist?“
„Nein, das sag ich dir, erstens, weil ich sein bester Freund bin, zweitens, weil du wolltest, dass ich dein bester Freund bin und drittens, weil ich großes Interesse daran habe, dass die Donnerdrummels weiter so ein gutes Kollektiv sind.“
„Haha, das hast du von ihm abgeguckt. Miloš macht auch immer Aufzählungen.“
Sie lenkt ab und weicht aus, das heißt, sie fühlt sich angegriffen. Und das wiederum heißt, dass sie heute keine Kritik von mir annehmen wird. Stattdessen nimmt sie ihren sprichwörtlichen Hut und fährt heim.
„Jeremy“, fängt Miloš zwei Tapetenbahnen später einen unentschlossenen Satz an.
„Ja.“
„Ganz ehrlich?“
Ich weiß schon, was kommt, dieses Mal bin ich sicher. „Ich bitte drum.“
„Ich habe keinen Bock mehr auf Renovieren.“
Siehste. „So ganz generell oder nur, was heute betrifft?“
„Eigentlich ziemlich generell, aber ich helfe dir natürlich noch, das zu beenden. Aber nicht mehr heute.“
„Das ist okay, ich hab auch überhaupt keine Lust mehr. Lass uns nach Hause fahren.“ Moment mal, wo sind wir denn gerade zuhause? „Also, zum Visserdijk.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen