Wir treffen uns am Kantineneingang. „Na, alles frisch?“, erkundige ich mich gut gelaunt. „Wie war die erste Nacht im neuen Heim?“
Miloš grinst mich an. „Du hast gesagt, du erinnerst dich nie an deine Träume.“
Oh je. „Hab ich was peinliches gesagt?“
Er grinst noch mehr. „Das kommt ganz drauf an, wie man peinlich definiert … jedenfalls scheint dich unser Puddingerlebnis von gestern ganz schön verfolgt zu haben.“
„Was hab ich denn gesagt?“
„Das wüsstest du jetzt gerne, he?“
„Das ist meistens so, wenn man fragt „Was hab ich gesagt“. Also, was hab ich gesagt?“
Er lacht und klopft mir auf die Schulter. „Na los, gehen wir Essen.“
„Was hab ich gesahagt?“, nerve ich rum, aber damit beiße ich wie gewohnt auf Granit. Vor und hinter uns in der Kassenschlange wird schon gelacht.
„Sags ihm, der gibt nie Ruhe“, rät ein Kollege aus den vierten Gruppen.
Die Frau an der Kasse nimmt meine Karte, zieht sie durch das Lesegerät, tippt die Preise ein und gibt sie mir zurück. Dann streckt sie die Hand nach Miloš’ Karte aus.
„Äh, das hab ich vergessen zu sagen, das geht auch auf meine“, sage ich eilig und reiche sie noch einmal hin.
„Haben Sie keine eigene Karte?“, fällt der Frau auf.
Miloš schüttelt den Kopf.
„Sie sind doch der Busfahrer für die Rollikids? Sind Sie denn nicht angestellt beim Förderverein?“
„Doch.“
„Dann gehen Sie bitte gleich ins Sekretariat und lassen sich eine Karte geben. Das haben die garantiert mal wieder vergessen. Eine hier aus der Kantine musste auch drum betteln. Genau, das war Ihre kleine Yugo-Freundin, mit der Sie neulich gesungen haben.“
Die Aufmerksamkeit ist ihm unangenehm. „Sie ist nicht meine kleine Yugo-Freundin“, will er ablenken.
Aber die Frau ist in Fahrt gekommen. „Eigentlich sollten die Ihnen das Essen ausgeben. Ohne so Leute wie Sie würde der ganze Betrieb zusammen brechen. Wieso haben Sie denn nichts gesagt? – Klar, Sie wussten ja nicht, was Ihnen zusteht. Ich hasse das, dass man hier wie ein Angestellter zweiter Klasse behandelt wird, bloß weil man nichts studiert hat.“
„Würden Sie jetzt bitte abrechnen und dann weiter Ihre Arbeit tun?“, fordert er leise. „Ich habe kein Interesse an einer Revolution.“
„Revolution? Na, wenn Sie meinen … dabei täte das dem Verein vielleicht mal gut.“ Sie gibt mir die Karte zurück und wünscht: „Guten Appetit.“
Am Tisch angekommen stößt er die Luft aus. „Das letzte, was mir noch gefehlt hatte.“
„Allerdings hat sie Recht.“
„Das kann sein, aber ich weiß bei den Vorsitzenden nie, wie weit ich gehen kann. Die sind komisch drauf. Ich will meinen Job nicht für ein Mittagessen riskieren.“
„Immerhin gibt es keine roten Linsen, wie beim Esau.“
„Esau? Wer ist das?“
„Esau ist der Bruder von Jakob, Sohn von Isaak, Enkel von Abraham. Lies mal im ersten Mose … ungefähr in der Mitte. Schlag es in der Konkordanz nach, wenn du nicht lange suchen willst. Aber wenn ichs mir recht überlege – die Linsen können dir nicht gefährlich werden. Als Einzelkind ist das Erstgeburtsrecht kein Thema für dich.“
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