Mein Mitbewohner stellt schließlich Bedingungen. „Ich erzähle erst, warum das so lange gedauert hat, wenn du aufhörst mit der Hampelei.“
„Erzähl!“, mache ich und stehe atemlos still.
„Bleiben wir hier oder gehen wir nach Hause?“, fragt er.
„Gute Idee, gehen wir. Ich back uns zur Feier des Tages eine Séduction.“
„Was ist denn das?“
„Das wirst du dann schon sehen.“ Beim Bezahlen singe ich nicht, aber draußen geht das gleich weiter: „Hurra, wir haben eine Wohnung! Danke Jesus! Danke, dass du so schnell geholfen hast, im Zeitraum „Menschen-Jetzt“! Mit Bad mit Fenster, in der Altstadt, jeder kriegt ein eigenes Zimmer! Keiner macht uns an, weil wir zwei Nationalitäten haben, wir müssen nicht jede Woche das Treppenhaus wischen, wir können laut oder leise sein, das stört niemanden! Wir haben eine Terrasse zum Grillen und der Anleger ist direkt um die Ecke! Trallala, lallala, wir haben eine Wohnung!“
„Ich bin zu Herrn de Vos gefahren und so vom Gefühl her hätte er am liebsten auch einen Freudentanz veranstaltet, als ich in sein Büro gekommen bin. Vor allem, als ich sagte, dass wir noch auf Wohnungssuche seien. Er hat erzählt, dass er nach uns weitere Leute da hatte, die das Haus mieten wollten, aber auf eine gewisse Weise haben sie ihm alle nicht gefallen. Die einen hatten Haustiere, die anderen waren unordentlich oder versnobt – er sagt, als Vermieter kriegt man irgendwann einen Blick dafür. Ihm gehören nämlich noch mehr Häuser in Zuyderkerk.“
„Darf man da keine Haustiere haben?“, unterbreche ich ihn, während Butter und Schokolade im Wasserbad schmelzen und ich Zucker und Eigelbe für meine Séduction verrühre.
„Das sieht nach einer Kalorienbombe aus“, murmelt Miloš.
„Deswegen heißt es Séduction. Du wirst der Bombe nicht widerstehen können.“
„Warum, heißt das Wort Bombe?“
„Nein. Verführung. Übrigens ist das französisch. Aber erzähl weiter.“
„Er sagt, diese Leute hätten einen halben Zoo gehabt. Ratten, Hunde, Katzen, eine Schlange, ein Hängebauchschwein, mehrere Papageien und so weiter. Bei der Besichtigung hatten sie zwei Hunde, eine Ratte und das Schwein dabei. Da wäre ich als Vermieter auch dagegen. Aber die Frage erübrigt sich, denn wir haben ja auch keine Tiere und was mich betrifft, kann das gerne so bleiben. Jedenfalls ist ihm vorletzte Woche aufgegangen, dass er Kompromisse eingehen muss, wenn er nicht will, dass das Haus leer steht. Da sind wir ihm eingefallen, denn die Wand umzusetzen–“
„Wand umzusetzen?!“, unterbreche ich erneut. „Wird er es also doch tun?“
„Dreh bitte nicht gleich wieder durch. Ja, er wird die Wand umsetzen lassen. Das kostet vielleicht zuerst einen Haufen Geld, langfristig könnten wir aber die zuverlässigsten Mieter sein, die auch gut mit seinem Eigentum umgehen.“
„Wir wirken halt total seriös“, werfe ich ein.
„Das konnte man eben ausgezeichnet beurteilen“, stellt er trocken fest. „Wir sind zu einem Freund von ihm gefahren, der Architekt ist und haben dem das Problem mit der Küche erklärt. Im Haus hat er eine Weile gerechnet und gezeichnet – das ist nämlich eine tragende Wand, die kann man nicht einfach so abbrechen oder umsetzen. Die Trennwand zwischen den beiden Zimmern unterm Dach lastet darauf. Als alle glücklich waren, hat er einen anderen Freund angerufen, der eine Baufirma hat und sich nächste Woche darum kümmern wird, damit wir übernächste Woche unsere Sachen hineinstellen können. Herrn de Vos ist wichtig, dass wir nicht noch ein Zwischenlager aufmachen müssen.“
„Das ist nett von ihm. Allerdings hätte er eher auf die Idee kommen können. Die letzten Wochen haben mich ganz schön Nerven gekostet.“ Ich habe die Zutaten verrührt, gerade so viel Mehl zugefügt, dass man das Ergebnis Kuchen nennen kann – kein Gramm mehr – und das Eiweiß untergehoben. Dann streiche ich alles auf ein tiefes Blech und schiebe die Schokoladenverführung in den Ofen.
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