„Veoma dobro. Du bist soweit?“, erkundige ich mich bei Cokko, und nach seiner Bestätigung weise ich Linda an: „Zähl mal.“
„Jedan, dva, tri–“
„Neinnein“, unterbreche ich, „das muss schon ein bisschen … energischer kommen. Lauter. Noch einmal.“
„Jedan! Dva! Tri! Četiri!“, ruft sie ins Mikro, und bei četiri setzt die Band ein. Weil keiner weiß, was ich vorhabe, sind sie etwas verhalten und das ist gut so, denn das Lied erfordert eine gewisse Erhabenheit, auch wenn wir naturgemäß schneller sind als das Original. Ich spiele die Akkorde einmal durch, und als wir auf einer Linie sind, fange ich an zu singen: „Wilhelmus van Nassouwe ben ik, van Duitsen bloed, den Vaderland getrouwe blijf ik tot in den dood …“ Spätestens hier hat sich das Lied verselbständigt; die halbe Halle singt mit – und die ganze Band, a capella und mit der Hand auf dem Herzen, es ist ein wunderschöner Anblick.
Als sich der Jubel legt, sind unsere Gäste längst von der Bühne verschwunden und ich habe mich auf meinen angestammten Platz verfügt.
Nach diesem patriotischen Abstecher gehen wir wieder in unser gewohntes Metier über. Mit reichlich Tempo fegen wir durch unsere Lieder. Als wir unser Set absolviert haben und alle Zugaben, zu denen wir Lust hatten und uns immer noch niemand von der Bühne holt, rufen wir irgendwann die Kroaten zu uns und zu neunt macht das Musizieren gleich noch mehr Spaß, auch wenn es jetzt ziemlich eng ist. Božidar kann zum Glück trompeten, sodass er nicht tatenlos herumstehen oder Luftgitarre spielen muss. Denn jetzt gebe ich meine Trommeln nicht mehr frei.
hunderterstes Kapitel
Viel später, als die Bühne schließlich leer ist und nur noch Musik aus der Konserve gespielt wird, kommt David Kuiper auf mich zu. „Sehr vielen Dank für diesen tollen Abend“, strahlt er mich an.
„Aha, dir hat’s also gefallen?“, frage ich lachend.
„Ja, total. Ihr seid spitze! Wo werdet ihr als nächstes zu hören und zu sehen sein?“
„Wissen wir noch nicht. Wir haben in den letzten drei Monaten sechs Auftritte gehabt und wollen erst mal wieder runter kommen. Das hier ist nur ein Hobby von uns, wir haben alle Freunde, Familie, andere Hobbys, Arbeitsstellen … das muss in einem gesunden Maß bleiben. Und die Band gibt es ja auch erst seit Mai. Wir planen, dieses Jahr kein Konzert mehr zu geben. Warum fragst du?“
David winkt ab. „Wenn ihr auftreten wollt und sich nichts ergibt, meldet euch auf jeden Fall bei mir. Ich kriege ständig Anfragen für Kulturfeste und so weiter. Wir haben zwar einige Bands im Haus, aber … na ja, ich habe die Geschichte mit dem Schlagzeug inzwischen auch gehört. Es ist schlecht, wenn so ein Instrument niemandem richtig gehört. Danke übrigens, dass du die Eurocents auf deinem hast spielen lassen.“
„Bitte, gern geschehen.“
„Und danke noch mehr, dass du den „Wilhelmus“ gesungen hast. Ich weiß nicht, wie viel davon auf der Bühne zu spüren war, aber plötzlich waren wir alle mit unseren vielen Nationalitäten eine Einheit. Das war ein ganz großer Moment. Wie bist du darauf gekommen?“
„Das war ein spontaner Entschluss. Seit gestern Abend bin ich so viel Patriotismus begegnet, dass ich auch mal ein Zeichen setzen wollte.“
David wird von jemandem etwas gefragt und verabschiedet sich. Ich ziehe mich in einen Winkel zurück und werde erfreulicherweise eine Weile in Ruhe gelassen. Es macht ein prima Gefühl, einen guten Auftritt geliefert zu haben und gefeiert zu werden, aber zugleich ist es irre anstrengend, immer ansprechbar sein zu müssen.
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