15. Dezember 2015

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„Eurocent. Ich dachte, ihr wüsstet das? Ihr wart gestern Abend mit denen unterwegs!“
„Gestern Abend ist lange her“, stellt Miloš fest und klickt schon in seinem Handy herum. Es folgt ein Telefonat, bei dem die Gesprächspartner sich hauptsächlich gegenseitig ins Wort fallen. Ich frage Lisanne, was da geredet wird.
„Viel zu schnell, ich verstehe kein Wort“, winkt sie ab.
Also wenden wir uns an Zoran, der die ganze Zeit schon grinst. „Ich glaub, das übersetz ich euch besser nicht. Kurz gefasst macht er ihnen gehörig Dampf unterm Hintern.“
„Warum, wo sind sie denn?“, will Merle wissen.
„Im Sommer ist einer von Dinamo Zagreb nach Ist-ihm-scheißegal gewechselt, und die spielen heute gegen Ajax. Aber wie ich das so einschätze, ist das Spiel gerade für sie zu Ende.“
In der nächsten Dreiviertelstunde erledigen wir sehr entspannt unseren Soundcheck und geben den Mitarbeitern, die Zeit haben vor der Bühne zu stehen, ein kleines Privatkonzert, dann erscheinen recht abgehetzt die fünf anderen Musiker. Einer von ihnen verpasst Miloš im Vorbeigehen eine Bemerkung, woraufhin der ihn an die Wand schubst und bitterböse antwortet. Aber gleich sind die übrigen Bandmitglieder da, trennen die beiden, entschuldigen sich bei Miloš und versammeln sich auf der Bühne.
Natürlich stehen wir übrigen sofort wieder bei Zoran um eine Übersetzung an.
„Vedran meint, nur die Deutschen und ihre Nazis hätten so viel Wert auf Pünktlichkeit und Disziplin gelegt und es wäre ja klar, dass die Serben da mitmachen müssten. Daraufhin hat Miloš … ach, das könnt ihr euch vielleicht selber denken.“
Ich komme nicht zum Denken, denn Božidar, der Schlagzeuger, fragt: „Stimmt das, was der Techniker sagt, dass ich deine Trommeln benutzen darf?“
„Ja. Auf dem Schlagzeug vom Coec spiele ich nämlich nicht, das ist Schrott.“
„Das hab ich mir gestern Abend auch gedacht, aber wenn man selber keins hat, muss man halt nehmen, was da ist. Deins sieht wirklich gut aus, wie viel hast du bezahlt?“
„Fangt mal an“, dränge ich zur Eile. In einer Viertelstunde beginnt der Einlass, dann sollte die Bühne leer sein. „Wir können später weiter quatschen.“

Als ich gestern Abend hörte, dass unsere Vorband Popmusik macht, habe ich automatisch an die Jesus-Pop-Band gedacht und war nicht sonderlich angetan. Was ich aber jetzt zu hören bekomme, belehrt mich eines Besseren – und das ist ja nur der Soundcheck! Eurocent würzen ihre Musik mit Zugposaune, Trompete und Saxophon und insgesamt ist es meines Erachtens eher Ska als Pop.
Božidar ist restlos von meinem Schlagzeug begeistert und kann kaum aufhören, die Qualität, das Aussehen und überhaupt meinen guten Geschmack zu loben. Und dann auch noch in schwarz! Sollte ich mir eines Tages ein neues kaufen, soll ich mich bitte bei ihm melden, er nimmt dann dieses. Obwohl das wohl nicht so bald der Fall sein wird, tauschen wir Emailadressen aus.(165) Es kann nicht schaden, Kontakt zu einer kroatischen Band zu haben.
Wir gehen in die Cafeteria, die jetzt nur noch für Veranstalter und Künstler auf hat und essen gemeinsam, dann ist es auch schon an der Zeit für die „Münzen“, wie Merle sie nennt, mit ihrem Job zu beginnen.

Die fünf Herren zwischen 25 und 30 lassen es richtig krachen auf der Bühne, und es ist ein Glück für uns, dass wir uns auf einen schnellen Abend vorbereitet haben!
Miloš’ Grundregel beim Laufen lautet: „Solange dich niemand überholt, bist du gut.“ Vom Laufen halte ich nichts, von der Regel hingegen eine Menge. Solange niemand schneller spielt als wir, sind wir im grünen Bereich. Aber das werden wir auch heute schaffen.
Im Publikum hüpfen schon Grietje und ihr Mann Jost herum und mit ihnen unser Fanclub aus Freunden, Verwandten und Unterstützern. Wir mischen uns dazu und bringen uns auf Betriebstemperatur.
In der letzten Viertelstunde vor unserem Auftritt ziehen wir vier Donnerdrummels uns in unsere Garderobe zurück. Jetzt muss sogar Zoran draußen bleiben, und der gehört ja sonst immer und überall dazu.

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