Nachdem David sich verabschiedet hat, ist es schon spät, aber nicht zu spät für eine Gruppe kroatischer Musiker, uns zum Essen einzuladen. Sie stellen sich mit Mario, Danko, Vedran, Štef und Božidar vor, sie alle sind Brüder bzw. Cousins. Sie wohnen in der Provinz zwischen Enschede und Arnhem, nutzen gerade ihre Amsterdamer Kontakte und genießen das Großstadtleben. Gemeinsam fahren wir in ein kroatisch geführtes Restaurant, wo wir uns im Hinterzimmer niederlassen. Vorne, wird mir erklärt, findet das statt, was die Niederländer von der Balkanküche erwarten – hinten gibt es das, was von der Balkanküche zuhause zu erwarten ist.
Wir bekommen ein prächtiges mehrgängiges Menü aufgetischt und im Laufe des Abends nehmen die fremdsprachigen Äußerungen deutlich zu. Die Prämisse des Coec gilt nun mal nicht überall. Aber ich mag nicht ständig darauf hinweisen, dass ich nicht vom Balkan komme und die anderen bitteschön niederländisch sprechen sollen. Das kommt mir sehr vermessen vor. Was bilde ich mir denn ein, sollen sich sieben Personen nach einer richten? Zudem bin ich ja sonst auch nicht die Stimmungskanone vom Dienst, sondern sitze oft still in meiner Ecke und bin froh drum, lustige Gesellschaft zu haben.
Es macht auch Spaß zu sehen, wie sie sich wohlfühlen mit der gemeinsamen Sprache.
Ganz neben allem anderen ist es total beruhigend für mich, dass Miloš keinen Alkohol trinkt. Sonst würde ich mir vielleicht doch irgendwann verloren vorkommen. So aber weiß ich, dass er immer noch ein paar niederländische Gedanken im Kopf hat.
Nach dem Essen gehen wir in einen Club tanzen, in dem die meisten Gäste ebenfalls nicht aus dem Inland zu kommen scheinen. Erst gegen zwei machen wir uns auf den Weg zu Inekes Wohnung. Ineke selber werden wir nicht antreffen, sie hat sich für das Wochenende bei einer anderen Freundin einquartiert, erstens ist dann für uns mehr Platz und zweitens muss auch niemand Rücksicht nehmen, weder wir nachts auf ihren Schlaf noch sie morgens auf unseren. Bei unserer Ankunft am späten Freitagnachmittag haben wir den Zweitschlüssel ihrer Wohnung erhalten und konnten unsere Sachen einstellen; damit hat sie sich verabschiedet.
Ich mag so gastfreundliche Leute.
Weil unsere Nacht zwar kurz, aber unbelastet gewesen ist, sind Miloš und ich schon am Vormittag auf den Beinen und in der Stadt. Weil er das möchte, besuchen wir das „de Appel“, ein Museum für Zeitgenössische Kunst.(164)
Als wir nach zwei Stunden wieder draußen stehen, ist es zum Glück an der Zeit, sinnvolle Dinge zu tun und zum Soundcheck ins Coec zu fahren. Merle und Lisanne dürften auch inzwischen angekommen sein.
Zur musikalischen Selbstverwirklichung stehen uns zwei Stunden zur Verfügung, aber weil ja nach uns niemand mehr kommt, können wir in Prinzip so lange spielen, bis uns nichts mehr einfällt oder wir von der Bühne gezerrt werden. Mit diesen Hintergedanken haben wir vergangenen Dienstag alle unsere älteren Lieder noch mal angespielt.
Im Coec proben allerhand Bands, teilweise auf geliehenen Instrumenten. Das Schlagzeug zum Beispiel gehört zum Inventar des Zentrums, und so sieht es aus. Darauf kann ich nicht spielen; das ist völlig ausgeschlossen. Zoran, Miloš und ich fackeln nicht lange, räumen es in ein leeres Büro und holen meine Trommeln her. Erst nachdem alles steht und ich gestimmt habe, fällt dem Tontechniker des Hauses ein: „Leute, das geht so nicht. Eure Vorband ist auf das Schlagzeug angewiesen, die haben kein eigenes dabei! Sollen wir jetzt etwa zwischen Vor- und Hauptband alle Trommeln umräumen? Habt ihr euch das mal überlegt?“
„Wer ist denn überhaupt diese Vorband?“, frage ich.
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