15. Dezember 2015

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Er hat erklärt, dass ihn unsere vielfältige Mischung (Sprachen, Interessen, familiäre Hintergründe und natürlich die Musik) an seine Familie daheim im Westen Kroatiens erinnert. Und wenn er als total unmusikalischer Mensch, der keinen geraden Ton raus kriegt, auf diese Weise Teil einer Band sein kann, ist das für ihn wie ein Wunder und ein schöner Traum.

Bis mein Feierabend erreicht ist, hat Miloš ein paar Dinge organisiert. Zoran hat das ganze Wochenende frei und Steven kann bis Montagmorgen auf den Transporter verzichten. Lisannes Freundin Ineke weiß ebenfalls Bescheid und wird uns eine weitere Nacht beherbergen.
Ich packe meine Sachen, am Proberaum beladen wir das Fahrzeug und verlassen die Stadt.


neunundneunzigstes Kapitel

Der Ort unseres morgigen Schaffens wird das Coec sein. Anfangs hat das für erhebliche Verwirrung gesorgt. Wir wussten nicht, dass es sich bei diesem seltsamen Wort um die Abkürzung von Centrum voor oost-europese cultuur handelt.(163) In diesem Zentrum sind diverse kulturelle Einrichtungen untergebracht; die größten gehören zu russischen bzw. polnischen Gruppen.
Aber auch das übrige Osteuropa ist vertreten, Leute vom Baltikum, der Slowakei, aus Ungarn und Rumänien und natürlich einigen Staaten des ehemaligen Jugoslawien. Serbische, kroatische und bosnische Kulturschaffende arbeiten in denselben Ateliers und Büros und kennen sich teilweise seit langen Jahren. Derzeit gibt es leider keine Gruppen aus den übrigen exjugoslawischen Staaten, aber sie geben sich Mühe, auch den Slowenen, Mazedoniern, Kosovaren und Montenegrinern eine kulturelle Heimat in der Fremde zu bieten.
Das und noch mehr erzählt uns David Kuiper in blütenreinem Den Haagse Niederländisch. Er koordiniert die Feierlichkeiten des Jubiläums und hat sich die Zeit genommen, uns das Coec zu zeigen.
„Darf ich da mal was fragen?“, ringe ich mich schließlich durch, „also nichts zum Coec.“
„Nur zu“, ermuntert er mich.
„Was hast du mit der ganzen Sache zu tun? Du klingst nicht wie ein Osteuropäer, auch so vom Namen her. Warum arbeitest du hier?“
David lacht. „Ich bin in der Nähe von Karlovac aufgewachsen, das ist in Kroatien. Mein Vater hat mir diesen schönen Nachnamen hinterlassen, er war damals als Ingenieur angestellt bei einer Firma, die Staumauern für Talsperren gebaut hat. Wir Niederländer haben ja fast immer irgendwie mit Wasser oder Wind zu tun und wie man sich die Elemente zu Nutze machen kann.“
„Mein Bruder studiert Ingenieurwesen für Offshore-Windkraftanlagen“, lache ich mit.
„Dein Bruder, der auch nicht nur Niederländer ist“, grinst Miloš.
Zoran fragt David etwas, das ich nicht verstehe.
„Ja“, antwortet der, „das könnten wir tun, aber Jeremy wäre ausgeschlossen, also reden wir in der gemeinsamen Sprache. Das ist die Prämisse des Coec. Wir wollen uns durch die Vielfalt der Herkunftsnationen bereichern und durch die Gemeinsamkeiten der neuen Heimat verbinden. Ansonsten könnten wir nicht mit so vielen verschiedenen Sprachen und Kulturen in einem Haus zusammen arbeiten.“
„Das ist dann auch der Grund, warum ihr unsere Band eingeladen habt?“, tippt Miloš.
„Stimmt. Die Mischung aus ost- und westeuropäischer Musik mit englischen, niederländischen und serbischen Texten passt genau zum Konzept des Coec. Ich habe ja bisher nur Aufnahmen gehört, ich war nicht in Almere und bei den anderen Auftritten, aber mir wurde zugesichert, dass eure Musik im hohen Grad tanzbar ist – ideal für eine ausgelassene Jubiläumsfeier. Ich freue mich schon sehr auf morgen Abend.“

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