„Jeremy, es geht nicht. Ich will wirklich gerne mit dir zusammen wohnen, aber das hier bringt nichts. Du wirst sofort eine Wohnung finden, wenn du nicht mit einem Ausländer einziehen willst. Also such du alleine, ich suche auch alleine, irgendwas werde ich finden. Na ja, dann muss ich halt Hilfe beantragen. Und dann wird es halt ein Loch. Wahrscheinlich bin ich eh’ die meiste Zeit bei dir, deswegen ist das doch egal, wenn ich einen längeren Weg von deiner Küche zu meinem Bett habe.“
Selbst wenn er nicht mein bester Freund wäre, würde seine Hoffnungslosigkeit mein Herz berühren! Ich lege ihm eine Hand auf die Stirn, „In Jesus Namen, ich segne dich mit Freude und Entschlossenheit und mit Niemals-Aufgeben!“
„Danke“, sagt er. „Trotzdem wäre es einfacher, wenn wir alleine suchen.“
„Es wäre vielleicht einfacher“, gebe ich kämpferisch zurück, „aber ich will es nicht einfach haben. Einfach kann jeder! Ich will mit dir zusammen wohnen. Basta.“
Er atmet tief durch und sagt dann: „Ich segne dich mit Weisheit, Bruder.“
„Gut, jetzt haben wir uns gegenseitig mit allerhand sinnvollen Dingen gesegnet. Und was sagt Jesus selber dazu?“, frage ich symbolisch in die Luft.
Grietje kommt aus dem Nebenraum. „Er sagt, dass ihr euch bitte erst mal auf den Auftritt morgen konzentrieren sollt. Ich weiß es ganz sicher, er hat die Angelegenheit im Griff. Sorry, dass ich zugehört habe.“ Sie nickt Miloš zu, „Zwar kann ich dich sehr gut verstehen und es ist eine Scheißsituation, in der du steckst. Ich hatte keine Ahnung, dass es so viel Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft gibt, und das tut mir leid. Ich hoffe, du schließt nicht von den wenigen auf die vielen anderen, denen deine Herkunft egal ist und die dein gutes Herz kennen.“
„Tu ich nicht“, sagt er leise.
„Danke“, macht sie. „Aber es wäre ganz schrecklich, wenn ihr aufgebt. Und deswegen hat Jeremy recht. Einfach kann jeder. Es ist natürlich nur noch sehr wenig Zeit, erst recht wenn der Nachmieter schon zur Stelle steht und ihr noch renovieren müsst. Ich bete für euch, dass ihr ruhig bleiben könnt, wenn die Leute unfreundlich sind und dass ihr den Mut nicht verliert. Nutzt den Auftritt als eine Art Kurzurlaub, ich glaube, das hilft. Lest morgen keine Anzeigen und denkt über Musik und andere schöne Dinge nach.“
„Kommst du auch?“, will Miloš wissen.
„Ja“, grinst sie. „Ich will mich mal wie ein Ausländer fühlen. Stell dich drauf ein, Jeremy, vermutlich sind wir morgen in der Unterzahl.“
„Kann durchaus sein. Aber ich habe keine Angst vor Ausländern“, grinse ich mit. „Ich kann ja sogar serbisch!“
„Acht Wörter“, lacht jetzt endlich auch Miloš, „eine beeindruckende Menge.“
„Dobro“, gebe ich an, „Veoma dobro.“(162)
Wir beherzigen Grietjes Rat und befassen uns bereits den ganzen restlichen Freitag nicht mehr mit der Wohnungssuche. Diesen Kurzurlaub werden wir sogar mit besonderem Elan betreiben, denn weil Zoran wieder unser Fahrer ist, planen wir einen längeren Aufenthalt in Amsterdam. Lisanne hat eine Freundin in der Stadt, bei der wir alle fünf übernachten können – sofern wir Zeit dazu haben. Wie ich unsere Partyungeheuer Merle und Miloš einschätze, werden sie kein Bett brauchen und Zoran weiß sicher auch besseres zu tun, wenn er eine ganze Nacht mit Landsleuten verbringen kann.
Merle hat irgendwann angefangen, ihn „unseren fünften Mann“ zu nennen, was komisch klingt, da wir ja nicht fünf Männer sind. Sie sagt das, weil er seit dem zweiten Auftritt in Hoorn überall dabei ist, wenn die Band unterwegs ist. Er fährt den Transporter, er hilft beim Bühnenauf- und -abbau, er redet serbokroatisch mit Lisanne und niederländisch mit uns übrigen. Er hat immer eine Flasche Wasser oder ein paar belegte Brote griffbereit, ein trockenes Handtuch, eine Ersatzsaite, einen Kabelbinder, ein Pflaster, …
Ich habe ihn gefragt, warum er das tut. Sein zeitintensives Engagement kann ja nicht nur damit zusammenhängen, dass er Single ist und zuhause niemand auf ihn wartet.
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