15. Dezember 2015

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„Im Winter ist es kalt und auch trocken da, es regnet nicht so viel wie hier. Und im Sommer wird es heißer. Es ist ja weiter weg vom Meer. Tja, und … es gibt weniger Autos, glaube ich … kaum Fahrräder … das ist schwierig zu sagen.“
„Ist es schön da?“
„Kann man nicht so allgemein sagen. Schön, das hängt ja mit vielen Sachen zusammen.“
„Na ja, aber du kennst mich ja. Würde ich es da schön finden?“
„Ich weiß nicht … nein, ich glaube nicht.“
„Warum nicht?“
„Es hat keinen Hafen. Nicht mal einen Fluss. Und du hast ja gesagt, dass du dich ohne Wasser nicht wohl fühlst.“
„Ich glaub, das liegt vor allem daran, dass ich keine Beziehung hab zu bergigen Regionen. Alle meine Leute leben hier … wenn man mal von Cokko absieht. Aber den kenn ich ja nur hier. Wenn ich mich näher damit befassen würde, würde sich das sicher ändern.“
„Jeremy“, er fasst meinen Arm und ist auf einmal ganz aufgeregt, „Würdest du mitkommen zu Onkel Dragis Geburtstag?“
„Äh … ich kenn ihn doch gar nicht? Außerdem hat er mich nicht eingeladen.“
„Meine Eltern haben nichts davon gesagt, dass ich bei dir wohne und das alles. Wenn er wüsste, dass du mein bester Freund bist, hätte er dich natürlich auch eingeladen. Ich war früher oft mit Milan bei ihm, auch als wir schon älter waren. Er hat immer gesagt, Milan soll sich eine von seinen Töchtern aussuchen, damit er in die Familie kommt.“
„Ach so, und jetzt soll ich mir eine aussuchen, was?“
„Ich weiß nicht, ob noch eine zu haben ist, ich war ja längere Zeit nicht dort. Aber du kannst es gerne ausprobieren. Da wären dann übrigens auch reichlich Onkels und Tanten vorhanden, die Bedingungen für eine spätere Hochzeit sind also erfüllt. Leg frühzeitig die Daten der Trauung fest“, scherzt er.
„Na Moment, ich habe sie ja noch gar nicht gesehen?!“
„Ach was, sehen willst du sie auch noch vorher? Du hast ja Ansprüche! Aber wenn ich sie so hübsch finde, findest du sie nicht hässlich. Was ist“, hakt er nach, „kommst du mit?“
„Äh … und wann soll die Fete steigen?“
„Onkel Dragi hat am 20. Februar Geburtstag. Das ist mitten in den Frühlingsferien.“
„Aha. Also, tja …“ Fast habe ich zugesagt, als mir etwas einfällt – die Strecke zwischen hier und Peckovar! „Nein. Vergiss es.“ Unwillkürlich mache ich einen Schritt nach hinten.
„Was ist dir gerade in den Kopf gekommen?“
Ich kriege schon jetzt Herzrasen und kalte Füße.
„He“, macht er beruhigend. „Was denkst du schreckliches?“
„Die Tatsache, dass es nicht so „mal eben um die Ecke“ ist. Auch für sieben hübsche Mädels, die eventuell alle noch zu haben sind, steig ich in kein Flugzeug. Vergiss es. Frag Cokko, der kommt bestimmt gerne mit. Oder Lisanne, die kann ja sogar die Sprache.“
Miloš grinst mich kopfschüttelnd an. „Wenn ich so lange mit Lisanne alleine bin, komme ich bloß auf dumme Gedanken. Und was Cokko betrifft: So eine Tour mache ich mit meinem besten Freund. Oder mit niemandem.“
„Und wie willst du dann da hinkommen?“
„Ich werde ein Auto ausleihen. Dazu bieten wir Mitfahrgelegenheiten an, dann können wir uns den Sprit leisten. Wenn wir hier früh losfahren, können wir gegen Mitternacht da sein.“
„Was?! Willst du die ganze Strecke an einem Stück fahren?“, frage ich entgeistert.
„Blödsinn, dann ist man viel schneller da. Das sind ja nur gut 1.500 Kilometer. Wenn man gut durchkommt, braucht man …“ Er rechnet und murmelt dabei Städtenamen wie Zagreb, Graz und Köln vor sich hin, „Ungefähr vierzehn Stunden. Warum guckst du schon wieder so entsetzt?“, unterbricht er sich selbst.

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