3. Dezember 2015

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Als alles an Bord ist und wir auf der Schnellstraße sind, fragt sie: „Kommt Cokko auch?“
„Nein, der trifft heute Kanadier.“
„Aha, und wie trifft man Kanadier? Macht man einen Aushang?“
„In Rotterdam leben zehn bis fünfzehn Kanadier, die sich alle zwei Monate treffen. Wie mein Bruder so ist, hat er Kontakt zu denen gekriegt und heute ist das erste Treffen, also kommt er nicht nach Hoorn. Vermutlich essen sie den ganzen Abend Elchsteaks mit Preiselbeeren und zum Nachtisch maple syrup pancakes, reden ihr seltsames Englisch und laden sich nach Hause ein.“
„Gibt es das für bosnische Serben auch?“, fragt sie Miloš.
„Na sicher. Aber nicht mit Elchsteaks und Preiselbeeren.“
„Ach, da wäre ich ja nie drauf gekommen“, witzelt sie.
„Siehst du, deswegen sage ich es dir.“
„Und was machen bosnische Serben bei ihren Treffen?“
„Das fragst du am besten einen, der zu solchen Treffen geht.“
„Wie, du gehst nicht hin? Warum nicht?“
„Ich bin kein Nationalist. Ich gehe lieber zu Yugo-Treffen. Bloß im Moment nicht.“
„Du gehst nicht zum einen Treffen, weil du kein Nationalist bist, sondern zum anderen Treffen, aber da gehst du auch nicht hin?“, fasst sie zusammen. „Was ist denn mit deiner Logik passiert, am Dienstag klappte das doch alles noch?“
„Merleschatz, du stellst die falschen Fragen. Die Frage muss lauten: Warum gehst du nicht hin?“, helfe ich nach. Gut, dass wir gleich da sind. Obwohl ich vorne sitze, schlafen mir die Beine ein. Dieses Auto ist einfach viel zu klein.
„Aha, so kommen wir der Sache näher“, grinst er. „Die Antwort darauf lautet: Weil auf den Yugo-Treffen zu viel Schnaps gesoffen wird.“
„Ich dachte, da wird dann in Tracht getanzt? Ich hab so was mal gesehen. Sah toll aus.“
„Bei uns wird nicht dauernd getanzt. Es gibt Aufführungen. Und es gibt Tanzgruppen. Eigentlich sind wir Yugos ziemlich normale Leute.“
Merle kichert. „Ziemlich normal – so ungefähr hätte ich dich auch beschrieben.“


siebenundneunzigstes Kapitel

In den vergangenen Wochen haben wir sechs weitere Wohnungen angesehen und bisher erfüllte nur eine alle meine Bedingungen. Die Bedingungen des Vermieters waren hingegen unmöglich zu erfüllen, denn er wollte keine Raucher, keine Haustiere, keine Kinder und keine Ausländer im Haus haben.(156)
Aber wir müssen unsere Wohnung ja erst zum letzten November in renoviertem Zustand verlassen, da ist noch viel möglich. Miloš wartet nicht so entspannt wie ich, er findet, ein Monat sei kurz, aber ich bin sicher, dass wir nicht obdachlos werden. Immerhin war die ganze Zeit noch nicht von einem Nachmieter die Rede, und solange niemand die Wohnung übernehmen will, lässt mein Vermieter uns bestimmt länger da wohnen.
Außerdem haben wir einen weiteren Auftritt bei der alljährlichen Alkmaarder Musikmesse bestritten, der war aber nicht besonders mitreißend, weil ständig Leute kamen und gingen und in der Halle viel Unruhe herrschte.
Der Auftritt war nachmittags, und hinterher sind die Donnerdrummels ohne mich zurück nach Zuyderkerk gefahren. Ich hatte eine Einladung von Pieter und Becks erhalten, um als erster Besucher die vollständige Wohnung zu begutachten. Pieter hatte zuerst etwas Mühe, die Einladung richtig zu vermitteln – nämlich nur an mich. Becks mag Miloš nicht so sehr, und sie wollte nicht, dass er mitkommt, allerdings sollte er sich auch nicht ausgeladen fühlen, immerhin hat er ja auch tüchtig beim Umzug geholfen. Pieter hat am Telefon eine Viertelstunde gebraucht, um mir das auf höfliche Weise zu vermitteln, denn er weiß, dass wir inzwischen fast alles gemeinsam machen.(157) Bei Miloš und mir hingegen war es leicht. Ich habe gesagt, dass ich eingeladen bin und er hat mir eine gute Zeit gewünscht und Grüße mitgegeben. So einfach kann das gehen.

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