3. Dezember 2015

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„Bitte. Hier ist Frühstück für dich. Hafergrütze heilt den Magen und Salbeitee die Stimmbänder. Und dann versuch mal nicht zu reden. Vielleicht ist da noch was zu retten.“
Er nimmt den Löffel und fängt an zu essen, erst zögerlich, dann stellt er fest, dass es besser schmeckt als aussieht. Beim Tee ist es andersrum, aber im Vertrauen auf die Wirkung leert er die Tasse.
Wenn der Tee auch Giftstoffe ausschwemmen soll, reicht das nicht. Ich gebe ihm den Honigtopf herüber, „Trink die ganze Kanne leer.“
Er testet das Mischungsverhältnis. Dann holt er das Blöckchen für die Einkaufszettel und einen Stift. Woher wusstest du letzte Nacht, was zu tun ist?
„Ich wusste es nicht, ich hab einfach irgendwas gemacht und das hat zum Glück geholfen.“
Ohne dich wäre ich jetzt tot.
Darüber habe ich auch nachgedacht und es macht mir Angst. Wäre ich eine Minute später wach geworden … oder gar nicht … Noch nie habe ich so nah an der Grenze zwischen Leben und Tod gestanden. Ich gucke weg.
Er klopft auf die Tischplatte, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Auf seinem Zettel beginnt ein Themenwechsel. Womit kann ich das Sofa reinigen?
„Spar dir die Mühe. Es kommt zum Sperrmüll. Früher oder später hättest du eh’ ein Bett gebraucht, weil ich nicht mit dem Teil umziehen wollte, also kaufen wir heute eins.“
Aber ich bin pleite für diesen Monat.
„Ist das alles gestern in der Kneipe geblieben?“
Er nickt und schreibt: Aber jetzt bin ich ihn los. Hier wird er nicht wieder hinkommen. Wenn ich will, sehen wir uns nie mehr.
Es muss extrem anstrengend für ihn gewesen sein, sich die ganze Woche seinen Eltern auszusetzen, bei dummen und verletzenden Bemerkungen wegzuhören, sich zu beherrschen und ihnen zur Seite zu stehen bei all den Sachen, die sie nicht können – aus körperlichen Gründen, weil sie die Sprache nicht verstehen oder keine Ortskenntnis haben. Daneben ist er ja auch noch arbeiten gewesen. Viel Zeit zum Runterkommen wird ihm nicht geblieben sein. Nachträglich tut es mir leid, dass ich keine Geduld für ihn hatte, als er mich brauchte.
Wieder pocht er auf den Tisch. Du willst den Auftritt also nicht absagen?, will er wissen.
„In Jesus’ Namen, Stimmbänder, erholt euch umgehend!“, spreche ich ein Macht-Wort aus, und weil es für meinen Freund sonst kein richtiger Segen ist, lege ich ihm eine Hand auf die Stirn und die andere auf das entsprechende Körperteil: „Ich segne dich mit Gesundheit für Magen und Lunge und Augen. Was kaputt ist, soll heil werden.“ Ich betrachte ihn einen Moment und füge dann hinzu: „Ich segne dich mit innerer Stärke, um deinem Schwur treu zu bleiben. Ich segne dich mit der Fähigkeit, eines Tages deinen Eltern zu vergeben.“

Mittags fühlt er sich in der Lage, das Haus zu verlassen(155) und das tut wenig später auch das Sofa. Danach ziehen wir zu Fuß los, ein Bett zu kaufen. Immerhin müssen wir es irgendwie heimwärts schaffen, und man kann viel auf dem Fahrrad transportieren, aber nicht alles.
Nachmittags durchbricht er die Drei-Liter-Salbeitee-Schallmauer. Er findet den Tee zwar mittlerweile total eklig, aber er glaubt fest daran, dass sein Gott und der Tee ihm helfen werden, die Stimme zu reparieren.
Sein Glaube wird gestärkt, denn als wir uns um kurz vor sechs auf den Weg zum Proberaum machen, klingt die Stimme zwar noch ein bisschen rau, aber für einen Rockmusiker ist das ja nicht schlimm. Nur den Augen hat die Teekur nicht geholfen.
Unser heutiger Fahrer ist schon da.
Miloš macht uns bekannt, der Bäcker heißt Zoran, ist Anfang dreißig und kommt aus Kroatien. Ich habe ihn schon oft hier im Gebäude gesehen. Er ist ein freundlicher Typ und sieht aus, wie man sich einen Yugo vorstellt. Fast ganzjährig gut gebräunt, Augen wie Kohlestücke und dichtes schwarzes Haar. Sein Niederländisch weist mehr Lücken auf als das von Miloš, obwohl er seit über zehn Jahren im Land ist, aber seinen Arbeitgeber stört das nicht. Seit acht Jahren arbeitet er für Steven und der hat ihn im Sommer zum Abteilungsleiter befördert.

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