3. Dezember 2015

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„Jeremy, es geht um die Band und dann geht es mich was an. Was habt ihr geredet?“
„Es geht nicht um die Band.“
„Du hast keine Ahnung, was du da redest. Wie soll die Band funktionieren, wenn ihr zwei Ziegenböcke nicht miteinander redet? Also geht es um die Band.“
„Hat Miloš dir was dazu gesagt?“
„Ja“, sagt sie, viel zu schnell, ich höre bis hierhin, dass es gelogen ist. „Hat er nicht. Er hat dich auflaufen lassen. Und jetzt bist du sauer und versuchst dein Glück bei mir.“
„Jeremy, das hier hat nichts zu tun mit Glück versuchen. Ich hab bloß Angst–“
„Na ja“, will ich sie unterbrechen, aber sie ist schneller, „Lass mich bitte ausreden. Ich hab Angst um die Band. Es gefällt mir nämlich sehr gut mit euch, ich liebe die Musik und die Gemeinschaft und seit ich neulich vor dem Auftritt in Almere begriffen hab, was für ein klasse Kerl du bist, hab ich dich noch mehr lieb als bevor ich das wusste. Falls du das nachvollziehen kannst, verstehst du sicher auch, dass ich kein Interesse daran habe, mir so bald eine neue Band zu suchen. Deswegen bitte ich euch sehr, euch zu vertragen und die Band nicht auseinander zu reißen. Okay?“
„Hast du ihm das eben auch schon alles gesagt?“
„Mit anderen Worten, ja.“
„Was waren die anderen Worte?“
„Ich habe ihm zum Beispiel nicht gesagt, dass ich begriffen hätte, was für ein klasse Kerl er ist, denn diese Erfahrung habe ich noch nicht machen können. Kannst du mir das bitte jetzt versprechen oder willst du erst, dass ich anfange zu heulen?“
„Wieso willst du anfangen zu heulen?“
„Ich will es nicht!“, schreit sie mir ins Ohr. „Versprichst du es?“
„Ja“, sage ich. „Dann musst du mir jetzt aber auch was versprechen.“
„Dass ich dich ab jetzt damit in Ruhe lasse?“
„Auch. Und dass du Lisanne anrufst und ihr sagst, was wir gerade gesprochen haben und dass sie mich nicht als nächstes anrufen muss.“
„Nicht nötig. Sie sitzt neben mir und hört zu.“
„Aha“, mache ich trocken. Gut, dass ich ihr nichts gesagt habe in der Annahme, ich würde es nur ihr anvertrauen.

Bernard hat das Probearbeiten hinter sich gebracht und ist somit unser neuer Unterrichtshelfer. Gleich nach der Zusage der Schule teile ich ihm die Absage der Band mit, aber das nimmt er nicht krumm.
Miloš und ich sehen uns während der Woche kaum, aber das liegt nicht an unserem Disput über die unterschiedlichen Zukunftsentwürfe. Seine Eltern verlassen das Land und das hält ihn auf Trab.
Sein Vater hat zwar vordergründig aufgehört, ihm Vorschriften zu machen, aber es bleibt äußerst schwierig zwischen ihnen. Schon immer ist der Vater sehr dominant gewesen und die Mutter hat sich untergeordnet bzw. keine eigene Meinung gehabt. Seit sie Depressionen hat und aussieht wie ein gestrandeter Wal, ist diesbezüglich gar nichts mehr von ihr zu erwarten.
Herr Kusturica ist hundertmal verbissener als sein Sohn.(154) Seit Kriegsende hat er nichts anderes im Sinn gehabt als sein Haus aufzubauen und seine Familie wieder zusammen zu holen. Dass er in Bosnien mehrmals knapp zu spät war, weil sein Sohn nicht gefunden werden wollte, hat schon an den ersten zwei Tagen seines Aufenthaltes in Zuyderkerk zu erbitterten Konflikten geführt. Vor allem das war der Grund, warum Miloš seine handliche Habe genommen hat und zu mir geflohen ist.
Das alles weiß ich aber schon länger; teils brauchte ich auch keinen Übersetzer. Psychologisch ist es recht einfach.

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