3. Dezember 2015

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„Wollt ihr euch prügeln?“
„Quatsch“, mache ich. „Aber du musst ja auch nicht alles hören.“
Miloš folgt mir mit dem Bass in der Hand. „Was gibt es noch?“
Als wir allein im Flur stehen und die Tür zu ist, frage ich: „Wie sieht’s aus mit meiner musikalischen Entwicklung?“
Bedauern ist in seinem Blick. „Ich wollte das nicht so sagen. Aber wahrscheinlich hast du recht. Das hier mit der Band reicht mir nicht. Von mir aus könnten wir jedes zweite Wochenende irgendwo auftreten, aber euch ist das ja zu viel. Wenn ihr nicht meine Freunde wärt, würde ich längst nicht mehr mitmachen.“
„Waas?!“, frage ich fassungslos.
„Ich will berühmt werden und Geld haben und Platten aufnehmen und Konzerte in der ganzen Welt geben. Und ihr … ihr habt die Band als Hobby. Na klar, für euch ist es was anderes, ihr habt alle viel zu tun auf der Arbeit und kriegt dafür anständig Geld. Ich habe es so satt, mir bei jedem Dings überlegen zu müssen, kann ich mir das leisten? Oder bereue ich den Kauf spätestens am Monatsende, weil ich dann blank bin? Oscar Wilde hat gesagt, „Wer nicht genießen kann, wird ungenießbar“ und er hat recht damit. Die dauernde Sparerei versaut mir den Spaß am Leben.“
„Aber es ist doch gar nicht sicher, dass du tatsächlich die große Karriere erwischen wirst?“
„Aber es könnte klappen. Ich habe die Chance. Und die will ich nicht verstreichen lassen. Ich habe in meinem Leben so viele Chancen gehabt und die meisten nicht genutzt, weil ich Angst vor der Reaktion meines Vaters hatte, weil ich auf der Flucht war, weil ich die Sprache nicht konnte, weil ich beschissene Jobs hatte … ich habe mir geschworen, meine Chancen ab jetzt zu nutzen.“
Sprachlos sinke ich gegen die Wand. Dazu fällt mir nichts mehr ein.
„Du bist mein bester Freund, deswegen sollst du es wissen. Wirst du mich unterstützen?“
Unterstützen?! Bist du noch ganz dicht? Ich will nicht, dass du gehst! Wir suchen gerade eine gemeinsame Wohnung, schon vergessen? Sollte ich lieber damit rechnen, dass du mich eines Tages mit der Wohnung sitzen lässt, bloß weil dir eine Band Weltruhm und einen Haufen Kohle versprochen hat?“
Jetzt geht die Tür auf und Lisanne schaut heraus. „Ist alles in Ordnung bei euch?“, will sie vorsichtig wissen.
„Nee“, grunze ich knapp, „in Ordnung ist hier gar nichts mehr.“ Ich gehe zurück in den Proberaum, packe meine Sachen und als ich wieder durch den Flur komme, steht Miloš immer noch da, mit dem Bass in der Hand.
„Jeremy, warte!“
„Nicht jetzt.“ Ich lasse ihn und Lisanne und Merle im Flur stehen.
„Was hast du ihm gesagt?“, wollen die beiden von ihm wissen, sobald ich um die Treppenkurve bin. Seine Antwort, sofern er eine gibt, höre ich nicht mehr.

Nach der Bandprobe ist es normalerweise zu spät, um Mommi zu besuchen, aber heute bin ich ja viel früher mit der Band fertig. Nein, ich bin nicht mit der Band fertig. Aber der spinnt doch! Wie kann er davon ausgehen, dass ich ihn unterstützen würde? Erst ist es ihm wichtig, dass ich sein bester Freund bin, dann will er weg? Hat er bei seinen tollen Weltkarriereplänen mal eine Sekunde lang an mich gedacht?
Ich sitze noch keine zehn Minuten bei Mommi, als das Telefon klingelt. Sie meldet sich und gibt gleich an mich weiter, „Für dich.“
„Ja“, sage ich hinein.
„Merle hier. Was habt ihr geredet?“
„Das geht dich nichts an.“
„Doch, das tut es.“
Ich nehme das Telefon und gehe raus in den Flur. „Nein, es ist eine Sache zwischen Miloš und mir und die geht dich nichts an!“

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