30. November 2015

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Als wir wieder auf der Straße sind, frage ich: „Woher weißt du das alles, wie man mit Vermietern umgeht und ob die Miete gut ist und das alles?“
„Die meisten Vermieter ticken gleich. Und den Mietspiegel findest du im Internet.“ Er hält sich nicht länger damit auf: „Warum hast du die ganze Zeit schweigend daneben gestanden? Ich kam mir vor wie ein Alleinunterhalter.“
„Na ja, ich musste ja gar nichts sagen, weil du das schon alles gemacht hast. Das mit der Küche, dass sie mir zu klein ist und so.“
Er nimmt mir die Visitenkarte ab und steckt sie unter den Scheibenwischer des Autos.


vierundneunzigstes Kapitel

Später fahre ich zu Mommi und unterhalte mich eine Weile mit ihr, dann bin ich wieder am Visserdijk, allerdings dieses Mal wegen der Kaap Hoorn. Ich bin bestimmt zwei Wochen nicht gesegelt, und das im September! Der segellose Winter ist schon fast in Sichtweite! Da müsste ich eigentlich jede freie Minute auf dem Wasser verbringen.
Ich komme erst sehr spät abends heim. In der Küche liegt ein Zettel, der mich darüber informiert: „Ich bin bei Lisanne. Komm auch, wenn du Bock hast. Miloš.“(149)
Ob diese Nachricht generell gilt? Oder haben sie damit gerechnet, dass ich sie früher lesen würde? Um nicht vergebens durch die Stadt zu fahren, rufe ich lieber mal an.
Ziemlich schnell wird am gegenseitigen Ende der Leitung abgenommen. „Bei Koevoet“, sagt mein Mitbewohner.
„Bist du schon umgezogen oder sagst du mir wenigstens, was sie hat, das ich nicht habe?“, blödele ich.
„Hä?“, macht er.
„Sonst bist du nur an mein Telefon dran gegangen und jetzt tust du das bei Lisanne. Passt es dir nicht mehr bei mir? Wir hätten drüber reden können, weißt du.“
„Quatschkopf. Lisanne hat den Fuß gebrochen–“
„Wie ist denn das passiert?“, unterbreche ich.
„Sie ist auf der Arbeit mit einem Stapel Akten eine Treppe runter gegangen und hat die letzte Stufe übersehen, also sie dachte, sie wäre schon unten und ist dann schief aufgetreten. Weil keine einzige Freundin oder Merle oder ihr Bruder zu erreichen war und ihre Eltern in Urlaub sind, habe ich sie aus dem Krankenhaus abgeholt und nach Hause gebracht und kümmere mich jetzt um sie. Vielleicht könntest du ihr morgen was kochen, ich glaube nämlich nicht, dass sie gesünder wird, wenn ich das übernehme.“
„Jetzt also nicht mehr?“
„Rede bitte in kompletten Sätzen mit mir, dann verstehe ich, was du meinst“, bemängelt er.
Er sollte Lehrer werden. „Du hattest auf den Zettel hier in der Küche geschrieben, dass ich herkommen soll, wenn ich Bock habe. Soll ich das so verstehen, dass ich jetzt nicht mehr kommen soll?“, gebe ich mir Mühe, den Ansprüchen gerecht zu werden. Außerdem – wer hat gerade „Hä?“ gesagt? Das ist auch kein vollständiger Satz.
„Nein, das würde nichts bringen, sie schläft.“
„Und was machst du da, wenn sie schläft?“
„Das habe ich doch gesagt: ich kümmere mich um sie.“
„Während sie schläft!“, stelle ich fest. „Scheint so, dass es dir nicht besonders ernst damit war, ein Jahr lang Single zu sein.“
Zwischen uns entsteht eine sehr stille Pause, an deren Ende er unterkühlt sagt: „Lisanne ist meine beste Freundin und wenn sie Hilfe braucht, bin ich an ihrer Seite. Wenn sie mich bittet, die Nacht in ihrer Wohnung zu verbringen und gegen die Schmerzen in ihrem Fuß zu beten, habe ich keinen Gedanken an andere Dinge.“
Ich spüre, wie mir die Verlegenheit einen knallroten Kopf beschert. „Entschuldigung.“
„Akzeptiert. Kommst du morgen mit Frühstück?“
„Ja. Bis morgen.“
Ich habe fast aufgelegt, da sagt er: „Jeremy.“
„Ja?“
Er schnauft tief durch. „Verzeih du mir auch. Wenn einer was gegen mein Jahresprojekt sagt, verstehe ich das viel zu oft als persönlichen Angriff. Dabei ist das doch völlig normal, was du gedacht hast.“
„Ist gut“, will ich weitere Selbsterklärungen umgehen, „wir sehen uns morgen.“

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