30. November 2015

301

Als ich im Bett angekommen bin, fällt mir etwas ein: Was machen wir nächste Woche? Wir sind zum Auftritt in Hoorn gebucht! Ohne Lisanne lohnt es sich nicht, die Bühne zu betreten. Merle allein kriegt das Rhythmuskorsett nicht gefüllt. Und wenn jemand „Donnerdrummel“ bucht, soll er nicht nur „Donner…mel“ kriegen.
Noch etwas fällt mir ein: Wie wäre das, wenn Bernard für einen Auftritt einspringt? Wenn wir es klar definieren, muss sich niemand Hoffnungen machen – wobei ich befürchte, dass ich im Moment derjenige bin, der sich die meisten Hoffnungen macht, und sie werden sämtlich an Miloš’ Sturheitsfelsen zerschellen. Was hat er bloß gegen ihn, sie kennen sich doch gar nicht? Ich muss das morgen mal vorsichtig anbringen. Idealerweise, wenn Lisanne dabei ist. Da wird er die Dringlichkeit vielleicht eher begreifen.
Das dritte, das an diesem Abend fällt, bin ich, und zwar in den Tiefschlaf.

Morgens werde ich durch das Telefonklingeln bei meinen Verrichtungen im Bad gestört. Kommt da schon die Brötchenbestellung? Wollen sie sich nicht darauf verlassen, dass ich selber weiß, was lecker ist und was sie gerne essen?
„Ja“, sage ich in den Hörer.
Mein Gesprächspartner sagt etwas serbisches. Es ist vermutlich Herr Kusturica, der ebenso vermutlich seinen Sohn sprechen will.
Ich sage das, was ich für das serbische „Guten Tag“ halte. Wie mache ich ihm klar, dass er die Handynummer wählen soll? Wann hatte ich noch gleich den Entschluss gefasst, serbisch zu lernen? Und warum hatte ich nicht sofort damit angefangen?
Herr Kusturica unterbricht mich in den Gedanken, indem er etwas sagt und dann auflegt.
Also rufe ich bei Lisanne an. „Koevoet“, lacht sie ins Telefon.
„Guten Morgen liebe Lisanne“, eröffne ich. „Lachen ist gesund; du scheinst das wörtlich zu nehmen.“
„Selbst wenn man nicht gesund wird davon, hat man doch allemal eine gute Zeit gehabt“, gibt sie eine Bassistenweisheit(150) zum Besten. „Weshalb rufst du an?“
„Herr Kusturica hat gerade angerufen, Miloš müsste sich mal bei ihm melden.“
„Ich werds ihm sagen. Bis später!“

Ich verrichte meine übrigen Verrichtungen schneller und begebe mich zügig auf den Weg zum Bäcker, denn wer so früh schon mehrsprachig telefonieren muss, hat bestimmt Hunger.
Mit allerhand Leckereien stehe ich bald darauf bei Lisanne an der Tür und klingele.
Miloš öffnet mir und ich kann mich nicht länger beherrschen: „Und, was will dein Vater?“
„Guten Morgen, lieber Freund“, lacht er.
Ich verdrehe die Augen, sage „Guten Morgen“ und drücke ihm die Einkaufstasche in die Hand, um meine Schuhe auszuziehen. „Also, was will er?“
„Vielleicht solltest du doch allmählich mal mit dem Serbischlernen anfangen.“
„Selbst wenn ich es akzentfrei sprechen würde, hätte er mir bestimmt nicht gesagt, was er von dir will“, stelle ich in den Raum und folge ihm in Lisannes Wohnzimmer, wo sie schon mit hochgelegtem Gipsfuß sitzt und recht munter aussieht.
Wir begrüßen uns und während Miloš mit dem Einkauf in die Küche geht, kommt mir noch etwas in den Sinn: „Warum ruft er dich eigentlich nicht auf dem Handy an? Das wäre doch viel einfacher, dann müsste er nicht drauf hoffen, dass ich vielleicht richtig reagiere.“
„Er mag keine Handys. Deswegen ruft er mich nicht mobil an.“
„Aber das ist doch voll unlogisch! Wenn er dich da anruft, hat er ja gar nichts mit dem Gerät zu tun?“

Keine Kommentare: